Seit der Unabhängigkeit, insbesondere jedoch in den letzten zehn Jahren, entwickelte sich in Malawi eine wachsende Klasse von kleinen Händlern, ’’Non-resident’-Bauern (d.h. nicht ansässige Bauern), Transportunternehmern und kleinen Warenproduzenten. Diese Klasse entstand als Resultat der Politik der Regierung zur Entwicklung von kapitalistischen Produktions- und Verteilungsverhältnissen in allen gesellschaftlichen Bereichen bei gleichzeitiger schrittweiser Malawisierung dieser Bereiche.
Vor allem die Verdrängung der Asiaten aus Handel und Transportwesen eröffnete ein großes Aktionsfeld für malawische ’Jungunternehmer’. Diese Kleinbourgeoisie ist noch mit allen Merkmalen einer jungen Klasse behaftet: mit einer hohen Rate von Fehlschlägen, Bankrotten und Konzentrationsprozessen, die eine kleine Schicht unter ihnen zu erfolgreichen Kapitalisten macht, während die große Masse der kleinen Händler und Gewerbetreibenden ihre Betriebe nur auf Nebenerwerbsbasis betreiben. Dazu kommt die Konkurrenz sowohl im Handel wie im Transportwesen durch den vom Präsidenten kontrollierten Großkonzern Press (Holdings), der nach der verfügten Beschränkung für die Asiaten im Handelssektor den Großhandel im ländlichen Raum monopolisierte und gleichzeitig in den städtischen Zentren mit einer Supermarktkette den größten Teil vom Handelsvolumen im Bereich der Waren des täglichen Bedarfs für sich reservierte. Auch im Transportwesen hat Press bereits den lukrativen interurbanen Großtransport übernommen, bevor die Asiaten ganz aus diesem Sektor verdrängt wurden und den malawischen Kleintransporteuren eine größere Chance gegeben wurde. Die verdrängten Asiaten fungieren teilweise als Finanziers oder Hintermänner für die neuen malawischen Kleinunternehmer, die oft weder die unternehmerischen Qualifikationen haben, noch den Banken die geforderten Sicherheiten bieten können.
Die Entwicklungsmöglichkeiten dieser neuen Klasse sind also vor allem im Handel und Transportwesen in vielfältiger Weise eingeschränkt.
Auch in der Landwirtschaft gibt es neben und verwoben mit der Schicht bäuerlicher Kleinkapitalisten ein Eindringen der städtischen Kleinbourgeoisie bzw. der neuen städtischen Mittelschichten. Es sind dies vor allem die mittleren Beamten und Angestellten, die sich politisch nicht für Sonderprivilegien qualifizieren, die zur Herausbildung der malawischen Agrarbourgeoisie führten, aber gestützt auf ihr regelmäßiges Einkommen und dadurch abgesicherte Kleinkredite auf einem niedrigeren Niveau als die Großplantagen in die (klein-) kapitalistische Landwirtschaft einstiegen100. Sie benutzen dabei ihre finanziellen Möglichkeiten, um sich, unter Ausnutzung traditioneller Formen der Verehrung des Familien- bzw. Stammesältesten, durch Geschenke bei den Dorfältesten oder Häuptlingen Vergünstigungen bei der Vergabe von Land zu sichern.
Die Bandbreite solcher Engagements reicht dabei von der saisonalen Beschäftigung einer Handvoll Landarbeiter zum Anbau von Mais zur eigenen Konsumtion auf dem elterlichen Stück Land bis hin zum Erwerb von größeren Flächen von Pachtland zum systematischen Anbau von Cash crops und der Beschäftigung eines lokalen ’managers’. In vielen Fällen entstehen auch kleine ’Mischbetriebe’ aus Farm, Einzelhandelsgeschäft und Kleintransportunternehmen, bei denen dann vor allem der Schlüsselfaktor Transport (Belieferung der Farm mit Produktionsmitteln und des Ladens mit Waren, Transport der landwirtschaftlichen Produkte zum Markt) ökonomischer einsetzbar ist.
Die wachsende Landknappheit führte nun gerade in jüngster Zeit dazu, daß viele dieser städtischen ’Nebenerwerbs’-Bauern und auch eine wachsendeZahl ansässiger größerer und großer Bauern, die bislang auf Stammesland gewirtschaftet hatten, das ihnen vom Häuptling zugewiesen wurde, darauf dringen, ihr Land in privatrechtlich abgesichertes Pachtland, sog. ’lease-holdland’, zu verwandeln, um sich einer Landneuaufteilung durch den Häuptling beim Wachstum des Dorfes oder beim Zuzug von Familien aus sehr dicht besiedelten Gebieten zu entziehen. In Gegenden mit hoher Bevölkerungsdichte findet bereits ein regelrechter ’run for land‘ statt101. Diese Tendenz wird langfristig zu einer weiteren Differenzierung der Bauern und zur wachsenden Marginalisierung derer führen, die keine Chance haben, ihr Stück Land in Pachtland umzuwandeln. Viele von ihnen können sich schon heute nicht mehr vom eigenen Land ernähren.