Malawi spielte seit seiner Unabhängigkeit eine Sonderrolle im Südlichen Afrika, die sich nicht nur in seiner strikten antikommunistischen Haltung ausdrückt, sondern vor allem in seiner Bereitschaft zur offenen Zusammenarbeit mit dem Apartheidregime Südafrikas, mit dem es als einziges schwarzafrikanisches Land diplomatische Beziehungen unterhält. Malawi hatte sich mit dieser Politik sowohl von seinen unmittelbaren Nachbarn als auch von den meisten in der OAU zusammengeschlossenen Ländern politisch isoliert.
Die mit der Unabhängigkeit Mosambiks und Zimbabwes veränderten Rahmenbedingungen und der sich verschärfende Konflikt zwischen Südafrika und seinen Nachbarn erlaubten Malawi inzwischen, seine regionale Isolation teilweise zu überwinden. Im Rahmen der Konferenz zur Koordinierung der Entwicklung im Südlichen Afrika (SADCC) kooperiert Malawi mit Ländern wie Tansania, Mosambik und Sambia, zu denen bislang eher frostige Beziehungen herrschten.
Malawis ökonomische Abhängigkeit vom Ausland
Als Malawi 1964 in die Unabhängigkeit entlassen wurde, war es nicht nur zur Finanzierung seines Budgets weiterhin auf die ehemalige Kolonialmacht Großbritannien angewiesen, sondern auch auf vielfältige Weise in den von Südafrika, Rhodesien und Portugiesisch- Mosambik geprägten Wirtschaftsraum integriert und dadurch auch in starkem Maße von diesen Ländern abhängig.
Im ersten Jahr seiner Unabhängigkeit hatte Malawi ein Budgetdefizit von 4,26 Mio Pfund, etwa ein Drittel aller geplanten Ausgaben, das von den Briten mit einem Zuschuß ausgeglichen werden mußte122. Noch bis 1972 war Malawi auf britische Budgetzuschüsse angewiesen. Insgesamt wurden knapp 1/3 aller laufenden und Entwicklungsausgaben zwischen 1964 und 1969 von Großbritannien bestritten, nicht eingeschlossen die Kredite der Commonwealth Development Corporation für spezielle Investitionsprojekte123. Ohne Gefahr zu laufen, diese für die Anfangsjahre überlebenswichtigen Zuschüsse zu verlieren, konnte Malawi keine von den Interessen der Briten erheblich abweichende Innen- oder Außenpolitik entwickeln. Im Rhodesienkonflikt vertrat Dr. Banda denn auch ohne Vorbehalte die Position Großbritanniens innerhalb der OAU. Später unterstützte Banda den Plan Großbritanniens, Waffen an Südafrika zu liefern, und demonstrierte damit nicht nur seine Loyalität gegenüber den Briten, sondern auch seine besondere Einschätzung von Pretorias angeblicher Friedfertigkeit124.
Malawis Abhängigkeit von Großbritannien ist sicher nicht alleinige Ursache für Präsident Bandas Südafarikafreundlichkeit und kompromißlosen Antikommunismus, doch sie ist sicher eine der wesentlichen Rahmenbedingungen, unter denen sich Malawis außenpolitische Linie nach der Unabhängigkeit, auch in Konkurrenz zu seinen mehr sozialistisch orientierten Nachbarn Tansania und Sambia, entwickelte.
Diezweite wesentliche Rahmenbedingung seiner Außenpolitik wurde durch Malawis Wirtschaftliche und infrastrukturelle Bindungen an den Süden gesetzt. Malawis Zugang zum Meer und einzige Eisenbahnexportroute führte durch das von Portugal abhängige Mosambik nach Beira. Die übrigen Exportrouten führten ebenfalls durch Mosambik bzw. durch Rhodesien und Südafrika.
Abb. 10
Die SADCC-Staaten mit den wichtigsten Bahnlinien und Häfen
Zwischen 200 000 und 300 000 malawische Wanderarbeiter waren in Rhodesien und Südafrika beschäftigt, doppelt so viel, wie im Lande selbst als Arbeiter (im formellen Sektor) beschäftigt waren. Von Rhodesien bezog Malawi 1964 40% aller Importe. Diese einseitige Importabhängigkeit reduzierte sich zwar in den folgenden Jahren (siehe Tabelle 11), insbesondere nach der Schaffung eigener importsubstituierender Industrien (z.B. für die Zuckerproduktion), doch blieb sie immer noch stark genug, um Malawi von Maßnahmen gegen Rhodesien abzuhalten, wie sie von der UNO nach der einseitigen Unabhängigkeitserklärung der Smith-Regierung (UDI) beschlossen und z.B. von Sambia auch durchgeführt wurden.
Für Malawis regionale Außenpolitik bestand in dieser Situation die Alternative, die vielfältigen Bindungen an den Süden unter relativ hohen Verlusten zu reduzieren, um sich langfristig ökonomisch wie politisch von den kolonialen und Siedlerregimen unabhängig zu machen, oder aber die vorhandenen Bindungen zu sichern, um kurzfristig günstige Voraussetzungen für die wirtschaftliche Entwicklung zu schaffen. Wie groß Malawis Spielraum wirklich war, ist angesichts seiner kargen Ressourcenbasis, seiner Unterentwickelt- heit und noch lange währender Abhängigkeit von Großbritannien nachträglich schwer abzuschätzen. Doch Banda hat noch nicht einmal den Versuch gemacht, mögliche Spielräume für mehr Unabhängigkeit gegenüber dem Süden zu nutzen, sondern hat ganz zielstrebig die Bindungen, insbesondere zu Südafrika, gefestigt und in einem Maße formalisiert, daß Malawi in außenpolitischer Hinsicht die Rolle des Vorpostens Pretorias in Schwarzafrika übernimmt (Kritiker von Malawis außenpolitischer Haltung sprechen deshalb auch mit direktem Bezug auf Südafrikas ’Bantustan-Politik’ vom ‚Bandastan‘).
Der tansanische Minister für Information und Tourismus kritisierte die Politik Malawis gegen über Südafrika aus der Sicht der mit den Unabhängigkeitsbewegungen solidarischen Länder Afrikas folgendermaßen: »Was wir weder verstehen noch verzeihen können, sind Handlungen, die eine Verstärkung und Erweiterung solcher Bindungen (an den Süden) bewirken, wo ihre schrittweise Abschwächung sowohl möglich wie auch im Einklang mit dem Zweck der Unabhängigkeitsbewegungen wäre.«125
Malawis besondere Beziehungen zu Südafrika
1967, drei Jahre nach seiner Unabhängigkeit, Unterzeichnete Malawi ein Handelsabkommen mit Südafrika, nach dem Südafrika unverarbeiteten Tabak, Öle, Tee und Baumwollabfälle zollfrei importieren konnte, während südafrikanische Produkte mit Vorzugstarifen nach Malawi gelangten. In der Folge haben sich die Importe aus Südafrika sprunghaft erhöht und machten 1979 über 40% aller Einfuhren nach Malawi aus (siehe Tabelle 11). Gleichzeitig ermunterte die Regierung Banda südafrikanische Firmen, in Malawi zu investieren. (Heute ist südafrikanisches Kapital u.a. im Bau-und Versicherungswesen und in der Düngemittelproduktion engagiert126.)
Malawi begab sich auf diese Weise freiwillig in eine weitreichende strukturelle Abhängigkeit von Südafrika. Das klassische koloniale Prinzip des Ressourcentransfers — Export unverarbeiteter landwirtschaftlicher Rohstoffe, Import industrieller Fertigwaren und Investitionsgüter — wurde auf regionaler Ebene im Verhältnis zum vergleichsweise hochindustrialisierten Südafrika reproduziert.
Die zunehmende Öffnung Malawis für Waren und Kapital aus Südafrika wurde 1971 mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen politisch besiegelt. Malawi ist damit das einzige Land in Schwarzafrika, das diplomatische Beziehungen zu Pretoria unterhält.
Tabelle 11
Der Außenhandel der Republik Malawi 1970, 1975 – 1979
1970 | 1975 | 1976 | 1977 | 1978 | 1979 | 1979 | |
% | in Mio. US $ | % | |||||
Einfuhr | 100,0 | 250,5 | 205,6 | 232,4 | 338,2 | 397,6 | 100,0 |
Ausfuhr | 139,1 | 154,0 | 190,8 | 177,1 | 216,2 | ||
Einfuhrüberschuß | 111,4 | 51,6 | 41,6 | 161,1 | 181,4 | ||
Einfuhr aus wichtigen Herstellerländern | |||||||
EG-Länder | 88,1 | 69,8 | 74,1 | 102,0 | 117,1 | ||
Bundesrepublik Deutschland | 3,7 | 10,0 | 7,6 | 9,0 | 10,8 | 21,0 | 5,2 |
Großbritannien
und Nordirland |
26,0 | 60,6 | 46,1 | 43,4 | 67,4 | 73,8 | 18,4 |
Niederlande | 1,0 | 5,4 | 9,1 | 8,7 | 6,7 | 5,3 | 1,3 |
Frankreich | 1,3 | 2,7 | 2,4 | 3,0 | 5,8 | 6,1 | 1,5 |
Italien | — | 3,6 | 1,5 | 4,3 | 5,7 | 4,8 | 1,2 |
Vereinigte Staaten | 5,0 | 9,4 | 7,0 | 11,6 | 15,7 | 12,8 | 3,2 |
Kanada | — | 3,5 | 9,5 | 2,0 | 9,2 | 2,6 | 0,6 |
Südafrika | 12,0 | 61,4 | 60,4 | 86,4 | 130,0 | 165,0 | 41,5 |
Zimbabwe | 20,0 | 29,6 | 10,1 | 6,3 | 7,1 | 5,9 | 1,4 |
Japan | 5,0 | 18,5 | 15,8 | 20,4 | 34,2 | 37,7 | 9,5 |
Indien | — | 4,0 | 2,0 | 3,4 | 4,9 | 6,5 | 1,6 |
Erhebungsgebiet: Staatsgebiet (ehem. Njassaland); Darstellungsform: Generalhandel; Länderangaben: Einfuhr: Herstellerland, Ausfuhr: Verbrauchsland (country of last consignment); Wertangaben: Einfuhr: cif, Ausfuhr: fob.
Nichtamtliche Angaben für 1980: 439,0 Mio. US $ (Einfuhr), 295,0 Mio. US $ (Ausfuhr).
Quelle: Statistik des Auslandes, Länderkurzbericht Malawi 1982, Zahlen für 1970: Eigene Berechnungen auf Basis von Malawi Statistical Yearbook 1980, S. 144 1979 Prozentangaben: eigene Berechnung.
Diese weitgehende ökonomische und politische Kollaboration mit Südafrika ist nicht allein damit zu erklären, daß Malawi seinen Zugang zum Meer, die Jobs der Wanderarbeiter und den Bezug bestimmter Waren sichern wollte. Immerhin gibt es Länder wie Botswana oder besonders das ganz von Südafrika umgebene Lesotho, die sehr viel stärker von Südafrika abhängig sind, ohne so weitgehende politische Zugeständnisse zu machen, wie Malawi dies tat. Ganz allgemein ging es Präsident Banda um die Sicherung und den Ausbau der nach Süden orientierten wirtschaftlichen und infrastrukturellen Verflechtungen als Voraussetzung für eine rasche Entwicklung der exportorientierten Agrarproduktion. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang die von Banda geplante Eisenbahnverbindung zum mosambikanischen Hafen Nacala als alternativer direkter Exportroute zu der bisher einzigen nach Beira (ebenfalls in Mosambik). (Die Alternative, den Norden Malawis über den Malawi-See mit dem südtansanischen Hafen Mtwara zu verbinden, hatte Banda verworfen, nicht zuletzt wegen der politischen Divergenzen mit der tansanischen Regierung.) Zur Realisierung dieses Plans brauchte Banda nicht nur die Zustimmung Portugals, sondern auch Finanzierungshilfe, die in dieser Situation nur von Südafrika kommen konnte, da keine Entwicklungshilfeorganisation bereit gewesen wäre, eine Verkehrsverbindung durch das von Portugal abhängige Mosambik zu fördern.
Daneben hatte Banda den Plan, die Hauptstadt von Zomba nach Lilongwe zu verlegen und damit bessere Voraussetzungen für die wirtschaftliche Entwicklung der Zentralregion — der Heimat der Chewa, der größten ethnischen Gruppe Malawis, der auch Banda angehört — zu schaffen. Auch für dieses Projekt war er auf südafrikanische Hilfe angewiesen. Für den Bau der Eisenbahnlinie nach Nacala erhielt Malawi 1969 einen Kredit über 11 Mio. Rand mit der Auflage, soweit wie möglich Materialien aus Südafrika zu verwenden. Für die Verlegung der Hauptstadt nach Lilongwe bekam Malawi weitere 8 Mio Rand. Infolge dieser Kredite hielt Südafrika 1970 18% der Schulden Malawis127.
Von einer Integration Malawis in ein mit dem Süden verbundenes Transportsystem versprach sich Banda Gewinne aus gesteigertem Transitverkehr aus Sambia und Mosambik.
Der Ausbau wirtschaftlicher Beziehungen und weitgehende politische Zugeständnisse waren das Unterpfand für südafrikanische Hilfe für Projekte, die der unmittelbaren ökonomischen und politischen Sicherung des Regimes von Präsident Banda dienten. Malawis Öffnung gegenüber Südafrika ist von daher keine Einbahnstraße, von der nur das Regime in Pretoria profitiert. Deutlich wird das auch an der Entwicklung der Wanderarbeit128.
Zur Zeit der Unabhängigkeit arbeiteten 266 000 Malawier als Wanderarbeiter in Südafrika, Südrhodesien oder Sambia129. Danach stieg diese Zahl auf fast 488 000 im Jahre 1972. D.h. 10,3% von Malawis Bevölkerung befand sich damals im Ausland.
Davon waren mindestens 124 000 in den Minen Südafrikas beschäftigt. Nach 1974, als Banda das Flugzeugunglück von Francistown, bei dem 74 malawische Wanderarbeiter umkamen, zum Anlaß nahm, die Kontraktarbeit zu verbieten, änderte sich die Situation schlagartig. Zwischen 1966 und 1977, insbesondere jedoch nach 1972, kehrten rund 330 000 Malawier in ihre Heimat zurück. Während Malawi in den sechziger Jahren Arbeitskräfte ‘exportierte’, war es in den siebziger Jahren ‘Nettoimporteur’ von Arbeitskraft. Nach 1977 wurde zwar die Kontraktarbeit wieder zugelassen, doch gingen jetzt kaum noch 20 000 Malawier nach Südafrika.
Betrachtet man diese Entwicklung der Wanderarbeit im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Entwicklung in Malawi, insbesondere der Expansion der Tabak- und Zuckerproduktion auf Großplantagen, so zeigt sich, daß die Regierung die Wanderarbeit entsprechend den Anforderungen des Aufbaus einer eigenen kapitalistischen Produktionsbasis in der Landwirtschaft steuerte. In den ersten Jahren nach der Unabhängigkeit, solange die kapitalistische Landwirtschaft im wesentlichen auf die kolonialen Teeplantagen beschränkt blieb (bis 1972 war Tee Malawis größter Devisenbringer), war es für die Regierung ‘profitabler’, Arbeitskräfte nach Südafrika zu schicken, denn sie konnten auf diese Weise unmittelbar (ohne Investitionen in Produktionsmittel, Erschließung neuer Ländereien und ohne Infrastrukturausbau) Devisen bringen.
Tabelle 12
Erlöse aus dem Export von landwirtschaftlichen Produkten und Überweisungen der Wanderarbeiter, 1975, in Mio. Kwacha
Wanderarbeit | 32,1 |
Tabak | 26,8 |
Zucker | 23,2 |
Tee | 21,7 |
Quelle: Malawi Statistical Yearbook 1980
Bis 1975 bezog Malawi durch die Wanderarbeiter mehr Devisen als durch den Verkauf des auf den Plantagen produzierten Tabaks oder Tees.
Als die Regierung in den siebziger Jahren die Expansion des Plantagenanbaus von Tabak (im Eigentum der neu entstehenden malawischen Agrarbourgeoisie) und Zucker (im Eigentum von Lonrho mit malawischen Beteiligungen) forcierte (die Anbaufläche von Tabak auf Plantagen hat sich zwischen 1969 und 1979 von 6 900 ha auf 32 700 ha fast verfünffacht, die für Zucker von 2 246 ha auf 13 850 versechsfacht), wuchs die Nachfrage nach Arbeitskräften in Malawi selbst sprunghaft. In dem Maße, in dem die Plantagenwirtschaft von Tabak und Zucker an Bedeutung zunahm und sich als eigenständiger Wirtschaftszweig etablierte, war es aus der Sicht der Regierung und vor allem derer, denen die Plantagen gehörten, ökonomisch sinnvoller, den Strom von Wanderarbeitern nach Südafrika zu drosseln, um ihre Arbeitskraft im eigenen Lande profitabel anzuwenden. (Der Strom der Wanderarbeiter wurde im übrigen in Wirklichkeit nur umgelenkt, denn auch die Arbeiter auf den neuen Plantagen waren Wanderarbeiter, die oft über mehrere hundert Kilometer von ihrer Heimat entfernt auf den Plantagen lebten.) Das Flugzeugunglück 1974 war daein geeigneter Anlaß, die Wanderarbeit nach dem Süden drastisch zu reduzieren. Das Verbot der organisierten Wanderarbeit130 zwischen 1974 und 1977 schuf in Malawi die nötige Reservearmee von Arbeitern, um die Löhne auf einem extrem niedrigen Niveau zu halten: in den 10 Jahren von 1969 bis 1979 erhöhte sich der Tageslohn für Landarbeiter nur von 0,23 auf 0,25 Kwacha (= ca. DM 0,60); der Reallohn sank um jährlich 6%131.
Die südafrikanischen Minengesellschaften begannen zur gleichen Zeit, rationellere Abbaumethoden anzuwenden und mehr Afrikaner aus Südafrika selbst zu beschäftigen; sie konnten deshalb den gestoppten Strom von Wanderarbeitern aus Malawi ohne Probleme kompensieren. Doch die Initiative zur radikalen Umkehr in der Wanderarbeiterpolitik ging hier — anders als beispielsweise beider Reduzierung mosambikanischer Wanderarbeiter nach Südafrika — eindeutig von Malawi aus; dies reflektiert die Interessen der sich ökonomisch etablierenden malawischen Agrarbourgeoisie.
Dr. Bandas Politik des ‘Dialogs’
Die von Dr. Banda verstärkte Kooperation mit Südafrika fand ihre afrikapolitische Entsprechung in seinem Konzept des ‘Dialogs mit Südafrika’ als Alternative zur Anti- Apartheidpolitik der OAU, die eine Isolierung Südafrikas durch Boykottmaßnahmen forderte. Zwar verurteilt auch Banda verbal das Apartheidregime, doch er behauptete gleichzeitig, nur durch Dialog und Kontakt könne in Südafrika langfristig etwas verändert werden. »Wenn wir jemals das Problem von Schwarz und Weiß in diesem Teil Afrikas lösen wollen … dann müssen wir miteinander reden.«132
Die Politik des Dialogs mit Südafrika fußt auf zwei Prämissen: Erstens sei Südafrika, seinerzeit noch im Bündnis mit Portugiesisch-Mosambik und Rhodesien, ökonomisch und militärisch so stark, daß gewaltsamer Widerstand nicht nur nicht zum Erfolg führe, sondern eine für die Nachbarländerverhängnisvolle Reaktion der Weißen provozieren würde. Zweitens hätten die Weißen in Südafrika, Rhodesien und Mosambik durchaus friedliche Absichten. Die Konsequenz dieser Einschätzung ist eine Überschätzung der ‘Reform’ansätze in Pretoria, wie sie zum Ausdruck kommt, wenn Banda konstatiert, »daß sich die Dinge in Südafrika in sehr, sehr großem Maße geändert« hätten133.
Aus diesem Zusammenhang erklärt sich auch, daß sich Malawi in Bezug auf die Befreiungsbewegungen im Südlichen Afrika auf die Seite Südafrikas geschlagen hat, aus Angst, in die Auseinandersetzungen gezogen zu werden. In derzeit des Befreiungskampfes der FRELIMO gegen die portugiesische Kolonialherrschaft unterhielt Malawi gute Beziehungen zu Portugal, nicht zuletzt, um sich dessen Unterstützung für die geplante Eisenbahnlinie nach Nacala zu sichern. Malawis geographisch exponierte Lage und die Unmöglichkeit, die Grenzen effektiv zu bewachen, zwangen es zwar zu einem taktischen ‘mo- dus vivendi’ mit der FRELIMO, nicht zuletzt, um ein Bündnis zwischen FRELIMO und malawischen Oppositionsgruppen zu verhindern, das Banda hätte gefährlich werden können. Doch politisch kooperierte Malawi mit Portugal gegen die FRELIMO. Als diese 1975 die Macht in Mosambik übernahm, akzeptierte Malawi als Abschiedsgeschenk der abziehenden portugiesischen Kolonialverwaltung zwei Militärboote, die im Antiguerillakampf auf dem Malawi-See im Einsatz waren.
Ganz ähnlich verhielt sich Malawi gegenüber dem Befreiungskampf in Zimbabwe. Während Banda gute Wirtschaftsbeziehungen zum weißen Siedlerregime pflegte und sein »erklärtes Vertrauen in die ‘liberal gesonnenen’ Europäer in Rhodesien«134 betonte, empfahl er den Schwarzen in Rhodesien, der Gewalt abzuschwören, innerhalb der Verfassung zu arbeiten und geduldig zu sein. Jugendliche, die aus Rhodesien nach Malawi geflohen waren und sich im Ausland für den Befreiungskampf ausbilden lassen wollten, wurden von der malawischen Geheimpolizei verhaftet und jahrelang ohne Anklage oder Urteil interniert.
Anders als z.B. Sambia, das seine Unterstützung für den Befreiungskampf in Zimbabwe mit einschneidenden wirtschaftlichen Nachteilen und militärischen Vergeltungsschlägen bezahlen mußte, profitierte Malawi aus seiner offenen Zusammenarbeit mit Portugal, dem rhodesischen Siedlerregime und vor allem Südafrika; es konnte weitgehend ungestört von den Befreiungskriegen in seiner unmittelbaren Nachbarschaft eben jene wirtschaftliche Entwicklung realisieren, die nicht nur eine kleine herrschende Elite zu Eigentümern ansehnlicher Großplantagen machte, sondern auch noch Einiges für die Masse der Bauern abfallen ließ. Und gerade in letzterem Aspekt liegt eine wesentliche Ursache dafür, daß Präsident Banda auf die Loyalität der Mehrheit der Malawier bauen konnte.
Südafrika hat, neben den ökonomischen Vorteilen der guten Wirtschaftsbeziehungen mit Malawi, die schon wegen der Kleinheit Malawis notwendigerweise beschränkt bleiben mußten, vor allem politisch von den besonderen Beziehungen zu Malawi profitiert.
Malawi ist gewissermaßen Pretorias Brückenkopf in Schwarzafrika bei der Schaffung eines enger integrierten (und von Südafrika dominierten) regionalen ökonomischen Systems, mit dem sich Südafrika als der ‘natürliche’ Partner der Länder des Südlichen Afrikas für wirtschaftliche und infrastrukturelle Entwicklung anbietet135. Malawis Unterstützung wichtiger außenpolitischer Positionen Südafrikas, wie die Auffassung, daß das Vordringen des Kommunismus in Afrika aufzuhalten sei, hilft Pretoria, seine politische Isolation in Afrikas zu verschleiern, auch wenn sich Malawi dabei selbst zunehmend isoliert.
Malawi und die westliche Südafrikapolitik
Seine Sonderrolle im Südlichen Afrika macht Malawi insbesondere für die westlichen Industriestaaten politisch interessant, die aufgrund ihrer intensiven ökonomischen und politischen Beziehungen zu Südafrika Gefahr laufen, ihren möglichen Einfluß auf die Länder Schwarzafrikas zu verlieren. Dies betrifft vor allem Staaten wie die USA, Großbritannien und die Bundesrepublik.
So wird der Bundesrepublik z.B. von Ländern wie Sambia vorgeworfen, daß, was immer sie an Hilfe und Unterstützung den schwarzafrikanischen Ländern gewährt, weitgehend zunichtegemacht wird durch ihre ungebrochene Zusammenarbeit mit Südafrika, durch die das Apartheidregime ökonomisch und politisch am Leben erhalten wird136.
Malawi fungiert in dieser Auseinandersetzung als Vertreter westlicher Südafrikapolitik innerhalb Afrikas. Bandas Politik des ‘Dialogs und Kontakts’ mit Südafrika entspricht ganz der Ideologie des ‘friedlichen Wandels’, wie sie z.B. von der Bundesrepublik vertreten wird137. Für die USA wiederum ist Malawis »strikt antikommunistische Außenpolitik«138 besonders von Interesse, da von Washington die politischen Auseinandersetzungen innerhalb Afrikas in erster Linie in Kategorien des Ost-West-Konflikts gesehen werden.
Nicht zuletzt aufgrund der großen politischen Übereinstimmung zwischen der Bundesrepublik und Malawi in Bezug auf Südafrika ist Malawi ein Schwerpunktland bundesrepublikanischer Entwicklungshilfe im Südlichen Afrika (siehe Tabelle 13).
Abgesehen von Botswana und Lesotho, deren Entwicklungshilfebezüge pro Kopf der Bevölkerung wegen ihrer geringen Einwohnerzahl nur bedingt mit den anderen Ländern des Südlichen Afrika vergleichbar sind, erhält Malawi mit Abstand am meisten Entwicklungshilfe von der Bundesrepublik. Ebensowenig ist es ein Zufall, daß z.B. Angola und Mosambik 16 bzw. 27 mal weniger Hilfe erhalten als Malawi. In gewisser Hinsicht spiegelt sich in den Zahlen der Entwicklungshilfeleistungen die relative politische Übereinstimmung zwischen der Bundesrepublik und dem jeweiligen Land. Dies gilt noch mehr seit der ‘Wende’ in Bonn, zieht man in Betracht, daß beispielsweise Entwicklungshilfegelder für Mosambik lange Zeit auf Eis gelegt wurden.
Tabelle 13
Entwicklungshilfeleistungen der Bundesrepublik an Länder des Südlichen Afrika, 1981
Land | Bevölkerung
in Mio. |
Entwicklungshilfe
in Mio. DM |
Entwicklungshilfe
in DM pro Kopf |
Angola | 7,1 | 4,8 | 0,67 |
Botswana | 0,9 | 33,9 | 37,6 |
Lesotho | 1,3 | 26,7 | 20,5 |
Malawi | 6,1 | 67,5 | 11,0 |
Mosambik | 12,1 | 5,1 | 0,4 |
Swasiland | 0,6 | 5,1 | 8,5 |
Tansania | 18,5 | 123,1 | 6,6 |
Sambia | 5,7 | 40,6 | 7,1 |
Zimbabwe | 7,6 | 48,0 | 6,3 |
Quelle: Bevölkerungszahlen aus: Stiftung Wissenschaft und Politik 1983, S. 72 Angaben zur Entwicklungshilfe der Bundesrepublik aus: BMZ 1983, S. 156ff.
Generell entspricht Malawis pro-westliche Orientierung seiner innenpolitischen Zielsetzung einer auf kapitalistischen Produktionsverhältnissen basierenden Entwicklung und der Sicherung von Bandas Herrschaftssystem gegenüber den Oppositionsgruppen. Darüber hinaus ist Malawi ganz explizit darum bemüht, eine Musterschülerrolle gegenüber den Gebernationen und -organisationen zu spielen. So wird immer wieder betont, daß man das »Wohlwollen internationaler Organisationen und Geberländer erhalten will, von denen wir (Malawi, d. Verf.) hinsichtlich finanzieller und technischer Hilfe abhängen« 139.
Malawi ist in hohem Maße von den Ländern abhängig, die ihm Entwicklungshilfe gewähren. 85% des Entwicklungshaushaltes der Regierung werden durch Zuschüsse und Kredite von außen finanziert. Seit der Internationale Währungsfonds (IMF) Malawi einen Bereitschaftskredit über 50 Mio Sonderziehungsrechte für zwei Jahre und die Weltbank, gestützt auf den IWF-Kredit, einen ‚Strukturanpassungskredit’ über US $ 345 Mio gewährten, befindet sich Malawi, wie schon so viel andere Länder, unter der Fuchtel des IMF und seiner strikten Kreditbedingungen, die sich vor allem auf Einsparungen bei den laufenden staatlichen Ausgaben, auf die Erhöhung der Effizienz der staatlichen Verwaltung und halbstaatlicher Unternehmen, auf eine größere Diversifikation der landwirtschaftlichen Exportproduktion und auf eine Abwertung des Kwacha (um 27%) beziehen140.
Doch auch Länder wieTansania stehen unter dem Druck des IMF; sie betreiben dennoch eine grundsätzlich andere Politik im Südlichen Afrika und insbesondere gegen über Südafrika. Auch wenn Malawi sicher nicht mehr allen über die Prioritäten seiner weiteren wirtschaftlichen Entwicklung entscheiden kann, so ist doch seine Außenpolitik eher von den besonderen Interessen Bandas und seines Clans bestimmt als von den Ländern und Organisationen, die Malawi Entwicklungshilfe oder Kredite gewähren, auch wenn es hier, wie oben aufgezeigt, deutliche Interessenüberschneidungen zwischen westlichen Ländern und Malawi gibt.
Malawis Isolierung in Schwarzafrika
Mit seiner südafrikafreundlichen Politik hat sich Malawi von den meisten schwarzafrikanischen Ländern, insbesondere jedoch von seinen unmittelbaren Nachbarn Mosambik, Sambia und Tansania, politisch isoliert. Die Tatsache, daß diese Nachbarländer den nach der Kabinettskrise ins Exil geflohenen Ministern Asyl gewährten und mit der Opposition zu Banda z.T. offen sympathisierten, hat die Beziehungen zusätzlich verschlechtert.
Malawis Beziehungen zur FRELIMO-Regierung in Mosambik ist belastet von Malawis Rolle während des Befreiungskampfes, seiner offenen Zusammenarbeit mit der Kolonialmacht Portugal und der Duldung, wenn nicht Unterstützung, der gegen die Regierung von Maputo operierenden »Nationalen Widerstandsbewegung von Mosambik« (RNM), die neben der Unterstützung aus Südafrika wahrscheinlich auch über Basen in Südmalawi verfügt. Andererseits waren beide Länder gezwungen, auf pragmatischer Ebene eine Verständigungsbasis zu finden, denn Malawi ist von den Zugängen zum Meer, die durch Mosambik führen, nach wie vor abhängig, während für Mosambik die Gebühren aus der Benutzung seiner Transitwege keine unwesentliche Einkommensquelle darstellen.
Auf der Basis dieser pragmatischen Kooperation gab es 1979 (also noch vor der Aufnahme Malawis in die SADCC) Ansätze zu einer Verstärkung der Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern. Handelsdelegationen wurden ausgetauscht und Delegierte der FRELIMO-Partei nahmen als Gäste am jährlichen Kongreß der Malawi Congress Party in Malawi teil. Die Daily Times, Malawis regierungsoffizielle Zeitung, kommentierte die Kooperation mit Mosambik folgendermaßen: »… die zwei Länder werden das Ziel verwirklichen, zweiseitigen Handel zwischen Entwicklungsländern zu fördern, um das Monopol bestimmter entwickelter Länder zu brechen, die einfach auf Kosten der Dritte-Welt-Länder profitieren wollen und wenig oder gar nichts tun, die ökonomische Struktur letzterer verbessern zu helfen.« 141 Die hier angeschlagenen vorsichtigen antiimperialistischen Töne deuten darauf hin, daß Malawi sich zunehmend bemühte, seine politische Isolation im Südlichen Afrika zu überwinden. Die Verbesserung der Beziehungen zu Mosambik wird nicht zuletzt auch davon abhängen, ob Malawi gewillt ist, den Wirkungsgrad der RNM auf seinem Territorium zu unterbinden.
Malawis Beziehungen zu Sambia waren nie so stark getrübt wie die zu Mosambik oder Tansania . Dies lag nicht nur an dem Stück gemeinsamer Geschichte, die beide Länder zu Zeiten der ‚Zentralafrikanischen Föderation’ im Kampf gegen ihre Unterwerfung unter die Vorherrschaft der rhodesischen Siedler vereinte, und an einer teilweisen Verwandtschaft der Bevölkerung, sondern vor allem daran, daß Sambias starke Abhängigkeit von Südafrika Präsident Kaunda immer wieder zwang, sich mit dem Apartheidregime zu arrangieren und dabei auch gerne auf Malawi als Vermittler zurückzugreifen142. Außerdem war Sambia, vor allem nach der Schließung der Grenze zu Rhodesien nach dessen einseitiger Unabhängigkeitserklärung, auf die durch Malawi führenden Verkehrswege für seine Exporte angewiesen. 1970 nahmen beide Länder formelle diplomatische Beziehungen auf. Obwohl die Beziehungen bisweilen durch Sambias tatsächliche oder vermeintliche Unterstützerrolle für malawische Oppositionsgruppen (Yatuta Chisiza nutzte das Hinterland Sambias, als er den Aufstand in der Mchinji-Gegend organisierte) beeinträchtigt wurden, haben sie sich im Laufe der siebziger Jahre soweit verbessert, daß Kaunda 1979 zu einem offiziellen Staatsbesuch nach Malawi kam, der ganz im Zeichen der Freundschaft zwischen beiden Ländern stand.
Tansania, von Malawis Nachbarn am wenigsten von Südafrika abhängig, war von jeher der konsequenteste Verfechter einer kompromißlosen Politik gegen Kolonialismus und Apartheid. Die FRELIMO und die Befreiungsorganisationen Zimbabwes und Südafrikas erhielten aktive, auch materielle Unterstützung durch Tansania. Es verurteilte deshalb auch am schärfsten Malawis Zusammenarbeit mit Pretoria. Präsident Nyerere gewährte malawischen Oppositionspolitikern wie dem ehemaligen Außenminister Kanyama Chiume nicht nur politisches Asyl, sondern teilte auch weitgehend deren Kritik an Banda.
Für Malawi, das wirtschaftlich wie infrastrukturell nach Süden orientiert war und diese Orientierung weiter ausbaute, bestand zunächst keine Notwendigkeit, seine Beziehungen zu Tansania, wenigstens auf einer pragmatischen Ebene, zu verbessern. Dazu kam, daß Tansania, vor dem Hintergrund der erwähnten generellen politischen Divergenzen mit Malawi, die Seegrenze mit Malawi, die entlang des tansanischen Ufers verläuft, in Frage stellte und einen Anspruch auf einen Teil des Sees bis zur Seemitte geltend machte. Präsident Banda wies diesen Anspruch Tansanias zurück und erklärte, daß »’geographisch, sprachlich und kulturell’ Malawis Grenzen außerhalb der von den Kolonialisten aufgezwungenen Grenzen liegen«, wobei er hinzufügte, daß er damit keinen Anspruch auf Teile von Nachbarländern geltend machen wolle143. Dieser Grenzkonflikt schwelte noch einige Jahre weiter. Anfang der 80er Jahre trafen sich Delegationen aus Tansania und Malawi, um den Grenzverlauf entlang des Songwe-Flusses, im Norden Malawis, zu klären. Seitdem hat keine Seite den Konflikt um die Seegrenze mehr aufgegriffen. Trotzdem blieben die Beziehungen zwischen Malawi und Tansania ungleich frostiger als die zu den anderen beiden Nachbarn.
Malawis Ausbruch aus seiner politischen Isolation und die SADCC
Die Unabhängigkeit Mosambiks 1975 erschwerte zwar zunächst die für Malawi so wichtige Kooperation mit dem Nachbarn im Süden, befreite es jedoch gleichzeitig von der kompromittierenden Zusammenarbeit mit der Kolonialmacht Portugal.
Mit der Entwicklung pragmatischer Beziehungen, die sich zunächst auf die Transportwege, später auf den Ausbau von Handelsbeziehungen bezog, praktizierte Malawi, ohne seine besonderen Beziehungen zu Südafrika aufkündigen zu müssen, nachbarschaftliche Zusammenarbeit mit einem Land, das im schwarzafrikanischen Kontext die politische Gegenposition zu Malawi einnahm. Wenn dies auch zunächst noch nicht viel an Malawis politischer Isolation in Afrika änderte, so bereitete diese praktische Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern doch den Weg zu einer weitergehenden Änderung der Rolle Malawis im Südlichen Afrika.
Es sind vor allem zwei Entwicklungen, die mithalfen, Malawi seinen Nachbarn im Südlichen Afrika näher zu bringen und seine politische Isolation zumindest teilweise zu überwinden. Die erste betrifft die Unabhängigkeit Zimbabwes und die Beendigung des Bürgerkriegs. Auch wenn Malawi nicht so direkt wie Sambia oder Mosambik dem Bürgerkrieg ausgesetzt war und auch alles tat, um nicht hineingezogen zu werden, so war es in den letzten Jahren des Krieges doch zunehmend indirekt betroffen, weil seine Transportrouten nach Süden immer wieder unterbrochen und unsicherer wurden 144.
Die Unabhängigkeit Zimbabwes 1980 führte zu einer — wie sich später herausstellen sollte —vorübergehenden Entspannung im Südlichen Afrika, von der auch Malawi profitierte. Es konnte die Exportroute durch Zimbabwe wieder benutzen und den seit der Verhängung von Sanktionen gegen Rhodesien eingeschränkten Handel wieder entfalten. Mit Mugabe kam zwar nicht Bandas Favorit an die Regierung; Zimbabwe entschied sich zudem mit seinem zumindest langfristig sozialistisch orientierten Entwicklungsprogramm für eine von Malawi grundsätzlich verschiedene politische Richtung. Doch schon bald nach der Unabhängigkeit entwickelten sich gute Beziehungen zwischen beiden Ländern. Regierungsdelegationen aus Zimbabwe besuchten Malawi und besichtigten Entwicklungsprojekte, um sich Anregungen für die Lösung der eigenen Probleme zu holen 145.
Wie schon zuvor im Falle Mosambiks befreite auch die Unabhängigkeit Zimbabwes Malawi von der kompromittierenden Zusammenarbeit mit einem weißen Minderheitsregime, die bisher dazu beitrug, Malawi auf dem schwarzen Kontinent ins politische Abseits zu stellen. Mit dem unabhängigen Zimbabwe trat darüber hinaus ein Land auf die politische Bühne des Südlichen Afrika, das wegen der engen Verflechtungen seiner Wirtschaft mit Südafrika146 eine sehr zurückhaltende Politik gegenüber dem Apartheidregime verfolgte. Auch wenn sich diese Haltung durchaus grundsätzlich von der offenen Kollaboration Malawis mit Südafrika unterscheidet, so kam sie doch der Position Malawis insoweit ein Stück näher, als Zimbabwe in Anerkennung der realen wirtschaftlichen und militärischen Machtverhältnisse bestimmte Zugeständnisse an Südafrika machte und diese mit der Notwendigkeit des wirtschaftlichen Aufbaus des eigenen Landes rechtfertigte 147.
Die zweite Entwicklung, die Malawis veränderte Rolle im Südlichen Afrika bestimmte, war die wachsende Aggressivität Südafrikas, von der auch Malawi zunehmend betroffen wurde. Den Verlust seiner einstigen Bündnispartnerin Angola, Mosambik und Rhodesien versuchte Südafrika seit Ende der 70er Jahre, verstärkt aber seit der Unabhängigkeit Zimbabwes 1980, durch eine zunehmend aggressive Politik gegenüber seinen nunmehr unabhängigen Nachbarn auszugleichen. Davon war nicht nur Angola betroffen, gegen das Südafrika regelrecht Krieg führte, sondern auch Mosambik und Zimbabwe. Südafrikas Unterstützung der RNM, die durch gezielte Terrorakte gegen die Bevölkerung und Sabotage strategischer Einrichtungen Mosambik zu destabilisieren versucht, griff auch die für Malawi so wichtigen Eisenbahnverbindungen zum Indischen Ozean an. Seit 1979 und verstärkt seit 1980 wurden von der RNM immer wieder Güterzüge, Brücken oder Hafendepots in die Luft gesprengt.
Ende 1982 wurden durch die Zerstörung der Eisenbahnlinie von Beira der Transport von Treibstoff und 40 000 t Kunstdünger, der dringend zu Beginn der Pflanzzeit benötigt wurde, aufgehalten. Malawi war daraufhin gezwungen, diese Güter aus Südafrika zu beziehen — zum Preis 40% höherer Importkosten. Mitte 1983 mußten 70% des Tees und Tabaks in einem riesigen Umweg 3 000 km weit durch Botswana oder Zimbabwe zum südafrikanischen Hafen Durban transportiert werden.
Trotz seiner bedingungslosen Kooperationsbereitschaft mit Südafrika, mit der es sich ja gerade aus den Konflikten im Südlichen Afrika heraushalten wollte, war Malawi damit selbst Opfer der südafrikanischen Destabilisierungspolitik gegenüber seinen Nachbarn und politisch erpreßbar geworden. Bandas Behauptung, die Weißen Südafrikas hätten friedliche Absichten, mit der er seine Politik des ‚Dialogs’ und der Zusammenarbeit rechtfertigte, wurde spätestens in dieser Situation unglaubwürdig. Der sich verschärfende Konflikt zwischen dem inzwischen völlig isolierten Südafrika und den unabhängigen Staaten des Südlichen Afrika sparte Malawi nun nicht länger aus. Ob es ihm gefiel oder nicht, es befand sich mit seinen Nachbarn im selben Boot.
Die Gründung der »Konferenz zur Koordinierung der Entwicklung im Südlichen Afrika« (SADCC) auf Betreiben der Frontstaaten Angola, Botswana, Mosambik, Sambia und Tansania und ihre formelle Konstituierung unter Einschluß des gerade unabhängig gewordenen Zimbabwe bot Malawi die Gelegenheit, seine Isolation in der Region zu durchbrechen und eine Basis zur Zusammenarbeit mit seinen Nachbarn zu entwickeln.
Die SADCC, zu deren konstituierender Sitzung im April 1980 in Lusaka neben Malawi auch noch Lesotho und Swasiland eingeladen wurden, verfolgt folgende Ziele:
- »die Verringerung wirtschaftlicher Abhängigkeit, insbesondere, aber nicht ausschließlich, von Südafrika;
- die Schmiedung von Verbindungsstücken, um eine wirkliche und auf Gleichheit beruhende regionale Integration zu schaffen;
- die Mobilisierung von Ressourcen, um die Durchführung nationaler, zwischenstaatlicher und regionaler Vorhaben zu fördern;
- konzertierte Aktion, um internationale Zusammenarbeit im Rahmen der Strategie wirtschaftlicher Befreiung sicherzustellen.« 148
Diese Ziele verfolgt die SADCC mit einem Programm konkreter Einzelprojekte mit dem Schwerpunkt im Bereich des Transport- und Nachrichtenwesens. Im Gegensatz zu früheren regionalen Gemeinschaften in Afrika (z.B. der 1977 zerfallenen Ostafrikanischen Gemeinschaft) verfolgt die SADCC das Prinzip einer möglichst lockeren Organisationsform, ohne größere zentrale Bürokratie und ohne gemeinsame Vermögenswerte. »Symptomatisch hierfür ist die Beibehaltung des Begriffs ‚Conference‘ auch für die inzwischen erfolgte Institutionalisierung der SADCC-Gruppierung.« 149 Von den Mitgliedsländern werden keine Zugeständnisse hinsichtlich einer einheitlichen Wirtschafts- oder Entwicklungspolitik verlangt. Dies ist ganz im Interesse Malawis, das sicher nicht bereit gewesen wäre, solche Zugeständnisse gegenüber Partnern zu machen, die z.T. eine sehr unterschiedliche Entwicklungspolitik verfolgen. Das pragmatische Vorgehen der SADCC entspricht dem der Kooperationsansätze zwischen Malawi und Mosambik.
Auch die Konzentration auf den Bereich des Transportwesens und die von der Gruppierung gesetzte Priorität beim Ausbau der Verkehrswege durch Mosambik und der Kapazitätsausweitung der Häfen von Beira und Nacala liegt ganz im Interesse Malawis, da Ineffizienz und Sabotage dieser Infrastrukturen den Außenhandel Malawis in den letzten Jahren ganz erheblich behindert haben.
Die Beteiligung des bisherigen Außenseiters Malawi an der SADCC durch die Frontstaaten ergibt sich zum einen aus der sachlichen Notwendigkeit, es in Verbesserung und Ausbau des regionalen Transportnetzes einzubeziehen, zum anderen aber auch daraus, daß Länder wie Mosambik oder Tansania — bisher die stärksten Kritiker von Präsident Banda — inzwischen wirtschaftlich mit dem Rücken an der Wand stehen und deshalb in keiner guten Position sind, Malawi Lektionen zu erteilen 150.
Das Vorgehen der SADCC ist mit seiner lockeren Organisationsform und seiner pragmatischen Projektorientierung auf eine graduelle Verringerung der wirtschaftlichen Vormachtstellung Südafrikas in der Region gerichtet und ist keine ’Anti-Südafrika-Organisa- tion’, wie die ‚Financial Times’ betont151.
Den SADCC-Partnern geht es nicht um eine Konfrontation mit der Regierung von Südafrika, sondern um die langfristige Schaffung einer infrastrukturellen und wirtschaftlichen Basis, die ihnen erst die notwendige Unabhängigkeit verschafft, um auch politisch wirksamer gegen das Apartheidregime Vorgehen zu können. Diese — gezwungenermaßen vorsichtige — Haltung der SADCC gegenüber Südafrika erlaubt Malawi, sich daran zu beteiligen, ohne die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu Südafrika aufgeben zu müssen. Die SADCC wird somit für Malawi zum zweiten außenpolitischen Standbein, es kann je nach aktueller Situation sich mehr auf das eine oder andere stützen. Als Malawis Finanzminister auf der in Blantyre stattfindenden Arbeitskonferenz der SADCC im November 1981 — in Anwesenheit des südafrikanischen Botschafters (!) — Pretoria vorwarf, »durch Sabotage und bewaffnete Einfälle einen Keil durch Zentralafrika treiben zu wollen, damit seine Nachbarn an Südafrika gekettet bleiben, ihr Wirtschaftswachstum zu untergraben und ihre Solidarität zu zerstören«152, demonstrierte Malawi nicht nur eine neue Version des ‚Dialogs‘ mit Südafrika, sondern auch, daß es seine Mitarbeit in der SADCC als Druckmittel gegenüber Pretoria zu nutzen gedenkt.
Über seine Mitarbeit an der SADCC hinaus hat Malawi in jüngster Zeit weitere Zeichen einer außenpolitischen Umorientierung gesetzt, als es 1981 diplomatische Beziehungen zu Mosambik aufnahm und zusagte, seine Unterstützung bzw. Duldung der mosambikanischen Rebellen von der RNM zu beenden. Als Gegenleistung hat Mosambik seine Unterstützung für LESOMA eingestellt.
Im April 1984 hat die Regierung von Malawi mit Tansania ein Abkommen über den Bau einer Verbindungsstraße zwischen beiden Ländern im Norden Malawis (ca. 50 km lang, zwischen der malawischen Stadt Karonga und der tansanischen Stadt Lubanda) abgeschlossen. Dies ist nicht nur insofern von Bedeutung, als mit diesem Abkommen die seit der Asylgewährung für malawische Oppositionspolitiker und -gruppen durch Tansania abgebrochenen Beziehungen wieder aufgenommen werden, sondern auch deshalb, weil Malawi mit der Straßenverbindung nach Tansania (mit Anschluß an die großen Ost-West-Verbindungen: Straße von Lusaka nach Daressalam und die TaZaRa-Eisenbahnlinie) zum ersten Mal eine Transportroute nach Norden öffnet; seit seiner Unabhängigkeit war es ausschließlich auf den Süden orientiert. Ursache dieser neuen Orientierung ist, daß Malawis Exportrouten nach Süden nach wie vor — selbst noch nach Abschluß des Vertrages von Nkomati zwischen Südafrika und Mosambik — von südafrikagestützten Sabotagekommandos der RNM unsicher gemacht werden. An diesem Beispiel zeigt sich sehr deutlich, wie Südafrikas Destabilisierungspolitik Malawi selbst seinen bisher am wenigsten gelittenen Nachbarn näher bringt.
Inwieweit Malawis Öffnung zu den Nachbarn auf Dauer auch eine Distanzierung gegenüber Südafrika beinhalten wird, wird sowohl von Malawis innenpolitischer Entwicklung als auch von der zukünftigen Strategie Pretorias abhängen.