Die Entwicklung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft
Struktur der kleinbäuerlichen Landwirtschaft
Der kleinbäuerliche Sektor in der Landwirtschaft Malawis ist nach wie vor stark von der häuslichen Produktionsweise geprägt. Fast 2/3 des landwirtschaftlichen Produkts werden für den Eigenbedarf produziert15. 1/5 des landwirtschaftlichen Produkts wird dagegen für den Markt produziert und konstituiert den ‘kleinbäuerlichen kommerziellen Sektor’16.Aus diesen Zahlen ist allerdings nicht zu schließen, daß nur ein Fünftel der Bauern an der kommerziellen Landwirtschaft, d.h. an der Warenproduktion für den Markt teilhat. Vielmehr dürfte ihr Anteil erheblich höher sein (wahrscheinlich um die 50%), da die häusliche Produktion nicht nur ausschließliche Produktionsweise einer bestimmten Gruppe von Bauern, sondern meist auch die allgemeine Basis der Produktion für den Markt ist. D.h. ca. die Hälfte der malawischen Kleinbauern baut neben den Früchten zur eigenen Reproduktion eine kleinere oder größere Menge von ‚cash crops’ (Argrarprodukte für den Markt) für den Verkauf an bzw. verkauft den nicht konsumierten Teil des Subsistenzprodukts (Mais, Reis, Hülsenfrüchte etc.). Kleinbauern, die ausschließlich Cash crops produzieren und die nötigen Subsistenzmittel dann auf dem Markt kaufen, sind dagegen die seltene Ausnahme17. Auf die ökonomischen Beziehungen zwischen Subsistenz- und Warenproduktion gehe ich später näher ein18. Die durchschnittliche Kleinbauernfamilie (4,5 Personen) besitzt ein Stück Land von nur 1,16 ha Größe19.
Die Besitzverhältnisse werden nach dem traditionellen Landrecht (customary law) geregelt. Das ‘traditionelle Land’, das ca. 82% der Fläche Malawis ausmacht, ist das Land der verschiedenen Stämme von Malawi. Während dieses Land in der Kolonialzeit von den Engländern in ‘Treuhänderschaft’ gehalten wurde, wurde die treuhänderische Verwaltung nach der Unabhängigkeit auf den Präsidenten übertragen. Bei der Verteilung der jährlichen Nutzungsrechte unter den Bauern spielen jedoch immer noch die Stammeshäuptlinge und Dorfältesten die wesentliche Rolle. Diese Rolle wird allerdings in dem Moment irrelevant, wenn es um die Bereitstellung von Stammesland für Plantagen geht, die auf direkte Anweisung des Präsidenten geschieht.
Für die Subsistenz werden neben dem Mais, der auf 65% der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche angebaut wird, noch Cassava, Reis, Sorghum, Hirse und Erdnüsse angebaut20. Für den Verkauf (Cash crops) werden von den Kleinbauern Tabak, Erdnüsse, Baumwolle, Reis und Mais angebaut21. 1980 betrug der Wert des von den Kleinbauern verkauften Produkts rund 30 Mio K, was einem Wert von 11,6 K pro Beschäftigten in diesem Sektor entspricht22.
Die von den Kleinbauern verwandten Anbaumethoden sind noch weitgehend von traditionellen Praktiken geprägt. Die Mehrheit der Bauern benutzt die Hacke und verwendet lokales Saatgut. Als Transportmittel für die Ernte, das Feuerholz etc. dient noch immer der Korb auf dem Kopf der Bäuerin. Die Produktivkräfte sind also praktisch nicht entwickelt. In manchen Gegenden, vor allem dort, wo schon seit längerem Landwirtschaftsprojekte durchgeführt werde, werden jedoch in zunehmendem Maße von Ochsen gezogene Pflüge und Ochsenkarren benutzt. Besonders für die Cash-crop-Produktion wird dort auch Kunstdünger und gekauftes Saatgut verwandt. 23
SUBSISTENZSEKTOR
Abb. 3
Die produktiven Sektoren der malawischen Wirtschaft (entsprechend ihres Beitrages zum Bruttoinlandsprodukt)
Ländliche Entwicklungspolitik
Malawi gehört zu den wenigen Ländern der 3. Welt, die seit ihrer Unabhängigkeit vorrangig auf die Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Infrastruktur abstellten. Diese politische Schwerpunktsetzung, die in vielen anderen Entwicklungsländern erst nach wenig erfolgreichen Industrialisierungsversuchen und oft zu spät erfolgte, ergab sich in Malawi fast zwingend aus den Bedingungen, wie sie zur Zeit der Unabhängigkeit herrschten: keine ökonomisch verwertbaren Bodenschätze, eine unterentwickelte interne und externe Verkehrsinfrastruktur ohne direkten Meereszugang, 90% der Bevölkerung in relativ großer Dichte auf dem Lande lebend und gute Klima- und Bodenverhältnisse für die Landwirtschaft.
Neben der Förderung kapitalistischer Plantagen sind es vor allem die sog. integrierten ländlichen Entwicklungsprojekte, mit denen die Landwirtschaftspolitik umgesetzt wird. Wenige Jahre nach der Unabhängigkeit wurden solche Projekte in vier Regionen des Landes mit finanzieller Unterstützung durch die Weltbank und die Bundesrepublik Deutschland begonnen. Zunächst erfaßten diese Projekte etwa ein Fünftel der ländlichen Bevölkerung Malawis.
Ziel dieser Projekte war es, das Niveau der kleinbäuerlichen Produktion durch die Bereitstellung von landwirtschaftlichen ‘inputs’ und entsprechenden Dienstleistungen zu erhöhen. Die Maßnahmen der Projekte umfaßten:
• landwirtschaftliche Beratung
• Flurbereinigung
• Bauern- und Beraterausbildung
• Kredit für landwirtschaftliche Inputs
• Bekämpfung von Tierkrankheiten
• Forstprogramme
• Bau von Vermarktungseinrichtungen und
• landwirtschaftliche Forschung.
Weitere wichtige Komponenten waren der Ausbau des Straßennetzes, Verbesserung der Trinkwasserversorgung und der Gesundheitsversorgung.
Im Zeitraum von 1969/70 bis 1979/80 flossen etwa 17% der öffentlichen Investitionen in den kleinbäuerlichen Sektor der Landwirtschaft. Darüberhinaus profitierte die kleinbäuerliche Warenproduktion in hohem Maße vom Ausbau des Hauptstraßennetzes, in das im gleichen Zeitraum ca. 1/3 der Investitionsmittel flössen24.
Seit 1978 bildet ein Nationales Landwirtschaftsprogramm (NRDP) die Grundlage für die ländliche Entwicklungspolitik. Dieses Programm setzt im Prinzip die Strategie der regionalen Programme fort, jedoch mit einem relativ geringeren Investitionsaufwand und dem Ziel, in kürzerer Zeit eine größere Zahl von Kleinbauern zu erreichen. In 20 Jahren soll im ganzen Land eine Grundausstattung an technischer und agraradministrativer Infrastruktur geschaffen werden und jeder Bauer Zugang zu Beratung, Kredit und Vermarktungseinrichtungen haben. Auch das NRDP wird zu über 80% von ausländischen ‘Gebern’, vor allem der Weltbank, der Europäischen Gemeinschaft, Großbritannien und der Bundesrepublik finanziert.
Tabakfeld eines kommerziellen Kleinbauern
Im Kontext des malawischen Entwicklungsmodells hat die ländliche Entwicklungspolitik eine Reihe von expliziten und impliziten Funktionen:
- die Erhöhung der Produktivität der kleinbäuerlichen Landwirtschaft, d.h. die Mobilisierung der bislang noch untergenutzten natürlichen und menschlichen Ressourcen zur Produktion eines vermarktbaren Mehrproduktes,
- die Mobilisierung von Akkumulationsmitteln für den kapitalistischen Plantagensektor und die städtische Industrie über die Abschöpfung eines Teils des kleinbäuerlichen Mehrproduktes,
- die soziale Befriedung der Masse der Kleinbauern durch breitgestreute Verbesserung der Versorgung mit staatlichen Dienstleistungseinrichtungen.
Mobilisierung der Ressourcen
Oberstes Ziel und faktische Wirkung der Landwirtschaftsprogramme in Malawi ist die Erhöhung der kleinbäuerlichen Produktion von Agrarprodukten für den Markt. Bei der landwirtschaftlichen Beratung, der Erforschung neuer Agrarprodukte und dem Ausbau der Infrastruktur- und Vermarktungseinrichtungen wird die Ausrichtung der Programme an der Cash-crop-Produktion sichtbar. So sind z.B. die Kapazitäten bei der Agrarforschung auf die Cash crops konzentriert, die jedoch nur auf 16% der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen angebaut werden25.
Sieht man die Landwirtschaftsprojekte unter dem Gesichtspunkt einer auf Agrarbasis angestrebten kapitalistischen Entwicklung Malawis, so haben sie die Funktion, die noch weit unter ihrem Potential genutzten Ressourcen an Land und Menschen für das Kapital zu nutzen, d.h. sie dem nationalen und internationalen Kapital direkt oder indirekt zugänglich zu machen.
Durch Erhöhung der Produktivität der kleinbäuerlichen Landwirtschaft soll dabei ein Mehrprodukt über den Subsistenzbedarf hinaus in Form von Waren für den Verkauf produziert werden. Das so erwirtschaftete Mehrprodukt dient einerseits, vermittelt über die Vermarktungsorganisation ADMARC, der Finanzierung des kapitalistischen Sektors der Landwirtschaft und den nationalen Beteiligungen in der Industrie, zum anderen der Herausbildung eines inneren Marktes. Die Entwicklung der kleinbäuerlichen Warenproduktion seit der Unabhängigkeit zeigt jedoch, daß die bisherige Landwirtschaftspolitik nur bedingt in der Lage war, die ‘brachliegenden’ Ressourcen in einem größeren Umfang zu mobilisieren.
Tabelle 2
A. Jährliche Wachstumsraten des Volumens der kleinbäuerlichen Warenproduktion,
1960 -1969 und 1970 – 1980 (Berechnet als durchschnittliche Wachstumsrate einer Trendlinie)
AnkäufebäuerlicherProdukte
durchVermarkungsorganisation |
Plantagenproduktion | |||||||
Zeitraum | Tabak | Erdnüsse | Baumw | Reis | Mais | Tabak | Tee | Zucker |
1960-1969 | 3,3% | 6,5% | 3,6% | 4,0% | 21,1% | 11,2% | 3,7% | |
r2 | 0,10 | 0,27 | 0,15 | 0,07 | 0,67 | 0,86 | 0,51 | |
1970-1970 | 3,4% | -4,8% | 0,9% | 5,3% | 14,5% | 20,0% | 6,6% | 22,2% |
r2 | 0,13 | 0,25 | 0,04 | 0,29 | 0,62 | 0,94 | 0,90 | 0,92 |
B. Jährliche Wachstumsraten des Werts der kleinbäuerlichen Warenproduktion,
1960 -1969 und 1970 – 1980 (Berechnet als durchschnittliche Wachstumsrate einer Trendlinie)
AnkäufebäuerlicheProdukte durchVermarkungsorganisation |
Plantagenproduktion | |||||||
Zeitraum | Tabak | Erdnüsse. | Baumw | Reis | Mais | Tabak | Tee | Zucker |
1960-1969 | -0,50% | 10,2% | 3,1% | 7,2% | 20,5% | 2,1% | ||
r2 | 0,00 | 0,46 | 0,11 | 0,10 | 0,69 | 0,24 | ||
1970-1980 | 13,8% | 12,5% | 22,1% | 11,3% | 50,3% | 31,2% | 13,8% | 36,8% |
r2 | 0,32 | 0,64 | 0,94 | 0,55 | 0,83 | 0,92 | 0,68 | 0,70 |
Quelle: Kydd/Christiansen 1982, S. 361. Die Wachstumsraten für Reis und Mais zeigen nicht die Trends der gesamten vermarkteten Produkte der Kleinbauern, da sie z.T. nur den vergrößerten Vermarktungsanteil von ADMARC an diesen Produkten widerspiegeln.
Der Tabelle 2 ist zu entnehmen, daß der kleinbäuerliche kommerzielle Sektor vor allem im Vergleich zu dem rapide wachsenden Plantagensektor nur ein bescheidenes Wachstum verzeichnet. Im Zeitraum 1960 — 69 wächst das Produktionsvolumen nach den Ankaufsmengen von ADMARC, der halbstaatlichen Vermarktungsorganisation, nur bei Erdnüssen und Mais in größerem Umfang, wobei das große Wachstum der Maisproduktion zum größten Teil nur den größeren Vermarktungsanteil von ADMARC an diesem Produkt anzeigt, das zuvor in größerem Maße privat vermarktet wurde. Bei Tabak und Reis hat sich die Produktionsmenge sogar kontinuierlich verringert. Im Jahrzehnt 1970 — 1980 bleibt die allgemeine Tendenz die selbe, während sich die Wachstums- bzw. Schrumpfungsraten bei den verschiedenen Produkten im Vergleich zur vorherigen Periode umkehren.
Das dürftige Wachstum der kleinbäuerlichen Warenproduktion ist nicht nur erstaunlich im Vergleich mit den Großfarmen, deren Wachstumsraten, vor allem von 1970 — 80, die des kleinbäuerlichen Sektors um ein Vielfaches übertreffen, sondern auch im Hinblick auf die erwarteten Effekte der Landwirtschaftsprojekte, die mit hohem Investitionsaufwand durchgeführt werden.
Gegen Ende der 70er Jahre verringert sich das Wachstum der kleinbäuerlichen Warenproduktion im wesentlichen weiter (siehe auch Abbildungen 4a – 4d weiter unten), was sich auch im realen BIP- Wachstum dieses Sektors spiegelt 26:
1976 | 20,4 % |
1977 | 19,6 % |
1978 | 5,7 % |
1979 | – 2,0 % |
Der Erlös, den die Kleinbauern aus dem Verkauf ihrer Produkte erhalten, ist real ebenfalls kaum gewachsen (vgl. Abbildung 5). Bezogen auf die gestiegene Zahl der im kleinbäuerlichen Sektor Arbeitenden ist das von den Bauern erwirtschaftete Geldeinkommen sogar gefallen: im Zeitraum von 1964 bis 1980 um jährlich 02,% (vgl. Tabelle 3).27
Eine Ursache dieser Entwicklung ist das geringe Wachstum der durchschnittlichen Produktivität der kleinbäuerlichen Landwirtschaft. Zwischen 1969 und 1981 erhöhten sich z.B. die Hektarerträge beim lokalen Mais um insgesamt nur 8%28.
Tabelle 3
Wert der Ankäufe durch ADMARC je Arbeitenden im bäuerlichen Sektor, 1964 – 1980, zu Preisen von 1980
Jahr | AlleProdukte einschließlich Mais (Kwacha) |
AlleProdukte ohne Mais (Kwacha) |
1964 | 9,5 | 8,3 |
1965 | 16,1 | 15,2 |
1966 | 16,7 | 14,5 |
1967 | 20,4 | 15,9 |
1968 | 9,6 | 6,3 |
1969 | 11,9 | 9,8 |
1970 | 11,3 | 11,0 |
1971 | 15,0 | 13,8 |
1972 | 16,7 | 14,5 |
1973 | 13,0 | 10,9 |
1974 | 13,8 | 11,5 |
1975 | 11,4 | 10,5 |
1976 | 15,1 | 12,8 |
1977 | 15,2 | 12,3 |
1978 | 16,4 | 12,9 |
1979 | 13,2 | 11,1 |
1980 | 11,6 | 9,1 |
Jährliche Wachstumsrate (%) | -0,2 | -0,5 |
Quelle: Kydd/Christiansen 1982, S. 370
Dieses geringe Produk tivitätswachstum wurde in den ersten Jahren nach der Unabhängigkeit, als noch in fast allen Distrikten unbebautes Land zur Verfügung stand, durch ein extensives Wachstum kompensiert. Doch inzwischen sind die Landreserven fast aufgebraucht. Nach Berechnungen des Landwirtschaftsministeriums in Malawi waren im Jahre 1977 88% des landwirtschaftlich nutzbaren Bodens bebaut. Zwei Drittel der verbliebenen Flächen lagen in der Nordregion, in der nur 12% der Bevölkerung leben. Bei einem geschätzten Wachstum der bebauten Flächen um 3,5% pro Jahr29 wären selbst unter der Annahme hoher Mobilität der Bauern die Landreserven bereits 1981 verbraucht gewesen.
In dieser Situation bebauen die Bauern zunehmend marginale oder erosionsgefährdete Böden mit der Folge, daß die Hektarerträge sinken, solange nicht zusätzlich in Kunstdünger, Terrassierungen usw. investiert wird. Die zunehmende Landverknappung, die verschärft wird durch die Konkurrenz der Kleinbauern mit den stark expandierenden Großplantagen um die wenigen verbleibenden Flächen, zeigt sich auch an der deutlich gesunkenen durchschnittlichen Landgröße pro Bauernfamilie. Zwischen 1968/69 und 1980/81 sank die im Schnitt von jedem Bauern bebaute Fläche von 1,52 ha auf 1,16 ha um fast ein Viertel30. Angesichts der Erschöpfung der bislang lang noch unerschlossenen Flächen wird sich die Tendenz zur Reduzierung der Anbauflächen pro Familie in Zukunft noch beschleunigen.
Abb. 4 a – 4d:
Entwicklung der kleinbäuerlichen Warenproduktion, 1969 – 1981 (Ankäufe durch ADMARC)
4a: Tabakproduktion (2 000 t)
4b: Erdnußproduktion (3 000 t)
4c: Baumwollproduktion (2 000 t)
4d: Maisproduktion1 (8 000 t)
Quelle: Malawi Statistical Yearbook 1979, S. 71; und Monthly Statistical Bulletin, Sept. 1982, S. 3
Abb. 5:
Entwicklung der kleinbäuerlichen Warenproduktion von 7968 – 1981
(Ankäufe durch ADMARC in Mio Kwacha, nominal und real)
Abb. 6:
Schätzung der Maisproduktion der Kleinbauern, 1973 -1981 (1 000 t)
Eine weitere Ursache für das geringe Wachstum der kleinbäuerlichen Warenproduktion, d.h. die Produktion von Produkten für den Verkauf, sind die geringen Preise, die den Bauern für ihre Produkte von der halbstaatlichen Vermarktungsorganisation ADMARC bezahlt werden. Die Kombination von knapper werdenden Anbauflächen und geringen Preisen zwingt vor allem die Bauern mit unterdurchschnittlich großem Land, vorwiegend Subsistenzprodukte anzubauen.
Es ist dies mit ein Grund dafür, daß sich Malawi als eines der wenigen Lander Afrikas – zumindest in guten Jahren — selbst mit Nahrungsmitteln versorgen konnte 31. Bis 1974 hat es außerdem gelegentlich kleine Mengen Mais in die Nachbarländer exportiert32, auch 1983/84 exportierte Malawi Mais in die von Dürre betroffenen Nachbarländer.
Genaue Angaben über den Umfang der Produktion für den Eigenbedarf sind naturgemäß nicht verfügbar, das sie nicht über den Markt gehandelt wird und somit in keine Statistik Eingang findet. Auf der Grundlage von Untersuchungen über Produktionsmengen ausgewählter kleinbäuerlicher ‘Betriebe’ wurde von der Regierung ein reales Wachstum der Eigenbedarfsproduktion um jährlich 3% zwischen 1973 und 1978 geschätzt 33.
Abbildung 6 zeigt die Entwicklung der geschätzten Maisproduktion der Kleinbauern (Gesamtproduktion, d.h. Produktion für den Eigenbedarf plus die auf lokalen Märkten und an ADMARC verkaufte Produktion).
Sofern diese Angaben richtig sind, bedeutet dies, daß, zumindest in den angegebenen Jahren, das Wachstum der Nahrungsmittelproduktion mit dem Bevölkerungswachstum Schritt halten konnte. Die Fähigkeit, sich mit Nahrungsmitteln selbst versorgen zu können, und die kontinuierliche Steigerung der Nahrungsmittelproduktion sind es, die Malawi als Modell für eine richtige Entwicklungspolitik erscheinen lassen. Doch paradoxerweise ist die steigende Produktion von Subsistenzprodukten der ungewollte Nebeneffekt einer wenig erfolgreichen Landwirtschaftspolitik, d.h. einer Politik, die vor allem die Produktion von Verkaufsfrüchten fördern will.
Darüberhinaus ist die relativ hohe Nahrungsmittelproduktion viel eher durch die im Vergleich mit vielen Ländern Afrikas größere natürliche Fruchtbarkeit der Böden bedingt als durch die Landwirtschaftspolitik des ‘weisen Führers’ Dr. Banda. Schon zur Kolonialzeit produzierten die malawischen Bauern große Überschüsse an Nahrungsmitteln, die zur Ernährung der Plantagenarbeiter benötigt wurden, z.T. aber auch schon damals an Nachbarländer exportiert wurden 34.
In Zukunft ist jedoch auch die Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln gefährdet, wenn sich die Landwirtschaftspolitik nicht grundlegend ändert. Da die gestiegene Produktion von Subsistenzfrüchten u.a. das Ergebnis eines Rückzugs der Kleinbauern aus der Verkaufsfrüchteproduktion ist35, bedeutet dies, daß sie gerade in dem Moment, in dem produktivitätssteigernde Investitionen in Produktionsmittel und Bodenschutzmaßnahmen aufgrund des knapper werdenden Landes dringlich wären, immer geringere Geldeinkommen erwirtschaften. Der Rückzug in die Subsistenzproduktion führt also in dem Moment in eine Sackgasse, in dem reduzierte Anbauflächen und die Bebauung von marginalen oder erosionsgefährdeten Böden immer geringere Erträge und eine Zerstörung der natürlichen Fruchtbarkeit der Böden bewirken.
In bestimmten, dicht besiedelten und weniger fruchtbaren Regionen Malawis sind die Anbauflächen pro Familie und die Erträge schon heute so klein, daß die Bauern dort nur noch einen Teil ihres Nahrungsmittelbedarfs selbst erwirtschaften können, selbst wenn sie fast nur noch Subsistenzprodukte anbauen. Im Balaka-Distrikt, in der Südregion, z.B. herrschte schon 1981 ein Nahrungsmitteldefizit von rund 22%, gemessen an dem von der UNO errechneten Mindestkalorienbedarf 36.
Besonders betroffen sind die Familien mit weniger als 0,8 ha Anbaufläche (sie machen im Balaka-Distrikt fast 40% aller Haushalte aus). Diese Familien können noch nicht mal die Hälfte, z.T. noch nicht mal ein Drittel ihres Nahrungsmittelbedarfs selbst produzieren. Es sind dies gleichzeitig die Familien, die am wenigsten an der Produktion von Verkaufsfrüchten teilnehmen, also auch kein Geldeinkommen aus der Landwirtschaft beziehen, das sie zum Kauf von Nahrungsmitteln verwenden könnten. Sie sind auf Geldüberweisungen der abwandernden Männer angewiesen. Doch soweit diese Männer in der städtischen Industrie beschäftigt sind, die direkt oder indirekt in hohem Maße von der bäuerlichen Marktproduktion abhängt, ist auch ihr Einkommen gefährdet, wenn die Warenproduktion auf dem Lande zurückgeht.
Auf der anderen Seite ist für viele der kleinen Bauern, die keine Verkaufsfrüchte wie Tabak, Baumwolle usw. anbauen und keine alternative Quelle für ein Geldeinkommen haben, ihr Subsistenzmittel Mais das einzige Produkt, durch dessen Verkauf sie sich ein Minimum an Geld beschaffen können, um z.B. Steuern, Schul- und Krankenhausgebühren oder nicht selbst herstellbare Konsumgüter zu bezahlen. Es passiert daher häufig, vor allem in den ärmeren Gegenden, daß Bauern nach der Ernte mehr Mais verkaufen als sie nach Abzug des eigenen Bedarfs dürften (das sog. ‘overselling’). Zum Ende des landwirtschaftlichen Produktionsjahres müssen sie dann, meist zu einem viel höheren Preis, wieder Mais kaufen, sofern sie sich bis dahin Geld beschaffen konnten, bzw. müssen ihre Diät unter dem Mindestbedarf reduzieren.
Proklamiertes Ziel der Landwirtschaftsprojekte und der ländlichen Entwicklungspolitik ganz allgemein war es, den Lebensstandard der Kleinbauern durch eine Erhöhung der landwirtschaftlichen Erträge zu verbessern, die Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln zu sichern und die landwirtschaftlichen Exporte auszudehnen. Die oben beschriebenen Entwicklungstendenzen zeigen jedoch, daß nicht nur die kleinbäuerliche Warenproduktion stagniert, sondern auch die Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln zunehmend gefährdet ist, da den Kleinbauern die Mittel fehlen, notwendige Investitionen zur Steigerung der Produktivität vorzunehmen. Selbst aus der Sicht der Geldgeber der landwirtschaftlichen Projekte sind deren Erfolge weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. So schreibt die Weltbank in ihrem umfangreichen Evaluierungsbericht: Die Leistung des kleinbäuerlichen Sektors »ist weniger als zufriedenstellend, wenn man die umfangreichen öffentlichen Investitionen in die kleinbäuerliche Landwirtschaft seit den späten 60er Jahren bedenkt«37.
Der Evaluierungsbericht über das zweitgrößte Landwirtschaftsprojekt Malawis, das Lakeshore Rural Development Project (ursprünglich von der Bundesrepublik gefördert und heute von der EG finanziert), resümiert die Wirkung des Projektes wie folgt: »Das reale Einkommen aus den Hauptanbauprodukten der Kleinbauern hat sich sehr wahrscheinlich zwischen 1971 und 1981 nicht erhöht, da Zuwächse im Ertrag durch den Fall der realen Erzeugerpreise aufgehoben wurden… Für die meisten Bauernfamilien, die 1967 in dem LRDP-Gebiet ansässig waren, sind die Realeinkommen aus der Landwirtschaft sehr wahrscheinlich zwischen 1967 und 1981 gefallen«38.
Vor dem Hintergrund dieser für die Mehrheit der Kleinbauern keineswegs vorteilhaften ökonomischen Wirkung der landwirtschaftlichen Projekte und Programme gewinnt der politische Aspekt der ländlichen Entwicklungspolitik eine besondere Bedeutung für die Stabilisierung der herrschenden Machtverhältnisse.
Soziale Befriedung der Bauern.
Die Politik zur Entwicklung des ländlichen Raumes, die über die reinen Landwirtschaftsprogramme hinausgeht und den Ausbau des ländlichen Straßennetzes, der öffentlichen Verkehrsmittel, der Wasserversorgung und den Neubau sozialer Einrichtungen wie Krankenstationen und Schulen und Community Development einschließt, hat eine relativ große ‘Breitenwirkung’, d.h. sie bringt fast jeder Bauernfamilie in der einen oder anderen Form kleine Verbesserungen ihrer Lebensumstände.
Die möglichst gleichmäßige Verteilung von Investitionen über die einzelnen Regionen des Landes ist durchgängiges Merkmal all dieser Programme. Dieses Prinzip der Gleichbehandlung aller Regionen des Landes gewinnt seinen politischen Stellenwert darüberhinaus durch die Existenz unterschiedlicher ethnischer Gruppen (in den verschiedenen Landesteilen), deren Existenz durch die offizielle Politik bewußt heruntergespielt wird und deren Unterschiede und Divergenzen nicht offen aufbrechen sollen.
Die soziale Befriedigungsstrategie wird benutzt, um die Loyalität der Masse der Bauern gegenüber dem herrschenden System und insbesondere dem Präsidenten zu mobilisieren. Jedes Entwicklungsprojekt, jede neue Schule, jede Krankenstation auf dem Lande wird in der Propaganda der Regierung als Geschenk des Präsidenten verherrlicht:
»Mr. Hara (Parlamentsabgeordneter, d. Verf.) übermittelte den aufrichtigen Dank der Leute von Mzimba an den Präsidenten auf Lebenszeit für das Nationale Ländliche Entwicklungsprogramm, das, wie er sagte, die Entwicklung des Distrikts beschleunigt habe.39
»… Sich dem Entwicklungsfortschritt zuwendend zitierten die (Parlaments-) Abgeordneten eine Vielzahl von Projekten in ihren jeweiligen Wahlbezirken… Die Parlamentarier übermittelten den tiefen Dank der Leute ihres Bezirkes an den Präsidenten auf Lebenszeit für alles, was er für sie getan hat und fortfährt, für sie zu tun.« 40
Die Verherrlichung der Regierung und des Präsidenten geht dabei soweit, daß die Anstrengungen der Bevölkerung nicht als Beitrag zur Entwicklung des Landes, sondern als Beitrag zu den Bemühungen der Regierung zur Entwicklung des Landes interpretiert werden: »Er (ein Parlamentsabgeordneter, d. Verf.) erinnerte die Leute daran, daß Malawi ein Agrarland ist und daß es deshalb die Verpflichtung eines jeden Bürgers sei, die Bemühungen der Regierung zur Verbesserung des landwirtschaftlichen Sektors zu unterstützen.«41
Nichts wird der eigenständigen Initiative der Bevölkerung überlassen, nichts geht ohne die Regierung, ohne ’Kamuzu’. Diese Propaganda, von allen Politikern beständig wiederholt, verurteilt die kleinbäuerliche Bevölkerung nicht nur zu politischer Unmündigkeit und Passivität, sondern hämmert ihnen mit monotoner Regelmäßigkeit ein, daß sie der Regierung und vor allem dem Präsidenten jede kleine Verbesserung ihrer Lebensumstände mit bedingungsloser Loyalität zu danken haben.
Selbst Politiker und Minister werden für unmündig erklärt. Die Beanspruchung eines eigenständigen Beitrages zur Entwicklung des Landes gilt als Volksverhetzung. Der frühere Minister der Südregion, Gwanda Chakwamba, wurde 1981 zu 22 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er es zuließ, daß ihn ein Parlamentsabgeordneter bei einer Versammlung für seine Leistungen für die wirtschaftliche Entwicklung der Region lobte. Die Richter erklärten: »Solche Worte waren nicht nur unbegründet, sondern auch in höchstem Maße skandalös, da jedermann in diesem Lande weiß, daß die Entwicklung ausschließlich dem Präsidenten auf Lebenszeit geschuldet ist und daß solche Lobreden nur an den Ngwazi gerichtet werden dürfen.«42
Schaffung einer bäuerlichen Kleinkapitalistenklasse
Die Landwirtschaftsprojekte des NRDP sind auf die Masse der Kleinbauern orientiert, d.h. alle Bauern innerhalb des Projektgebietes haben im Prinzip gleichen Zugang zur neu geschaffenen Infrastruktur, zur landwirtschaftlichen Beratung und zu Krediten. De facto profitiert jedoch nur ein kleiner Prozentsatz der Bauern in nennenswertem Umfang von den Projekten.
Im Gegensatz zu Ländern wie Tansania und Mosambik wird in Malawi nicht die Bildung von landwirtschaftlichen Genossenschaften gefördert, sondern Beratung und Kredit zielen, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, auf den einzelnen Bauern43.
Es ist daher klar, daß vor allem die Bauern, die größere Landflächen besitzen, schon früher regelmäßig Cash crops angebaut haben und schon modernere Anbautechniken und ertragreichere Sorten benutzen, den größten Vorteil aus den Projekten ziehen. Umgekehrt bringt die Konzentration des Beratungsdienstes und der Ausbildung auf diese Gruppen von Bauern kurzfristig den größten Erfolg, gemessen z.B. an der relativen Produktionserhöhung je eingesetztem landwirtschaftlichem Berater. So ist es kein Wunder, daß sich der Beratungsdienst zunehmend auf eine relativ kleine Gruppe von sog. ‚progressive farmers’ orientiert44. Die Annahme von Anbaupaketen durch die Bauern war deshalb in den Landwirtschaftsprojekten viel niedriger als ursprünglich geplant, wie die Weltbank in ihrer Analyse der Projekte feststellt 45.
Der Effekt dieser Entwicklungstendenz ist, daß sich eine relativ kleine Schicht bäuerlicher Kleinkapitalisten herausbildet, die in zunehmendem Maße selbst Landarbeiter, meist saisonal, einstellt, ihre Ländereien vergrößert und landwirtschaftliches Gerät wie Pflug, Ochsenkarren und in seltenen Fällen auch Traktoren einsetzt.
Obwohl hier sicher ein Widerspruch zwischen beabsichtigter Breitenwirkung und tatsächlicher Selektivität der Landwirtschaftsprogramme liegt, wird doch klar, daß die Entstehung einer bäuerlichen Kleinbourgeoisie von der politischen Führung gewollt und bewußt gefördert wird.
Neben den größere Regionen umfassenden, d.h. ‘flächendeckenden’ Landwirtschaftsprojektendes NRDP gibt es spezielle Programme, die ganz gezielt eine kleinbäuerliche Elite heranziehen. Ein Beispiel dafür ist ein Programm zur Ausbildung, Ansiedlung und Förderung von Tabakbauern. Ausgewählte Bauern werden hierbei über 3 Jahre im Anbau von ‚Flue-cured’-Tabak ausgebildet, der agrartechnisch relativ kompliziert anzubauen ist und deshalb bisher nur auf den Plantagen produziert wurde. Nach der Ausbildung wird diesen Bauern von der Regierung ein Stück Land zur Verfügung gestellt, auf dem sie dann selbständig, jedoch von intensiver Beratung begleitet, Tabak anbauen. Diese Bauern sind in Malawi nicht nur dafür bekannt, daß sie oft höhere Hektarerträge haben als die Plantagen, sondern auch dafür, daß sie hohe Geldeinkommen erwirtschaften 46.
Als Beispiele der zukünftigen Bauerngeneration, so wie sie sich die politische Führung in Malawi vorstellt, werden diese Bauern oft anläßlich der landwirtschaftlichen Inspektionstouren des Präsidenten feierlich der Nation vorgestellt und mit Auszeichnungen bedacht. Diese ’Elitebauern’ bilden als angehende bäuerliche Kleinkapitalisten nicht nur den Kern einer der politischen Führung loyalen Schicht innerhalb der Bauernschaft, sondern stehen als Beweis für ’His Excellency’s wise leadership to uplift the life of his people’, wie einer der in Malawi verbreiteten Slogans lautet. Sie sollen Vorbild für die Masse der anderen Bauern sein, die ihre eigene Erfolglosigkeit und Marginalisierung als selbstverschuldete Unzulänglichkeit und nicht als Benachteiligung interpretieren sollen.
Innerer Markt und Struktur der industriellen Entwicklung
Die auf die Mobilisierung der ‚brachliegenden’ Ressourcen und die Entwicklung der bäuerlichen Warenproduktion orientierte Landwirtschaftspolitik Malawis zielt auch auf die Ausweitung des inneren Marktes, d.h. die verstärkte Arbeitsteilung zwischen Landwirtschaft und Industrie. Da Malawi keine industriell ausbeutbaren Rohstoffe besitzt, ist das Entstehen eines inneren Marktes die entscheidende Voraussetzung zur Entwicklung einer Industrie. Die starke Abhängigkeit der malawischen Industrie vom nationalen Markt zeigt sich daran, daß nur 14% der Industrieproduktion exportiert werden47.
Die industrielle Produktion entwickelt sich im Falle Malawis wie in vielen anderen Ländern der Dritten Welt nicht auf der Basis von Handwerk und Kleinindustrie, also unter Anwendung von Produktivkräften, wie sie in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft üblich sind, sondern auf der Basis einer kapitalistischen Industrie, die zwar nicht auf dem fortschrittlichsten Niveau, aber doch auf einem der kleinbäuerlichen Landwirtschaft weit überlegenen Niveau der Produktivität arbeitet.
Diese strukturelle Ungleichheit entstand historisch zunächst dadurch, daß das existierende Handwerk — Schmiedekunst und Baumwollverarbeitung waren z.B. in Malawi sehr verbreitet48 — ruiniert wurde, weil England seine Kolonien mit den Produkten seiner eigenen industriellen Massenproduktion überschwemmte. Die Politik des Warenexports wurde später durch eine Politik des Kapitalexports abgelöst, mit der in den Kolonien selbst eine bescheidene Industrie aufgebaut wurde, die den inneren Markt versorgte. Diese Politik findet heute unter dem Stichwort ’lmportsubstitution’ seine Fortsetzung, ohne daß sich an ihrer Struktur etwas geändert hätte.
Die vom ausländischen Kapital aufgebaute Industrie (vorwiegend englisches Kapital; heute gibt es in den wichtigsten Industrien Beteiligungen nationaler, meist halbstaatlicher Organisationen wie ADMARC oder der Malawi Development Corporation) entwickelte sich unter Anwendung von Produktivkräften, wie sie in der europäischen Industrie üblich waren, was angesichts des beschränkten inneren Marktes zu monopolistischen Strukturen führte. Fast alle wesentlichen industriellen Erzeugnisse werden jeweils nur von einem einzigen Betrieb hergestellt (Getränke, Textilien, landwirtschaftliche Geräte, Haushaltsartikel, Schuhe, Öle, Zucker etc.). Die Regierung Präsident Bandas fördert diese monopolistische Struktur noch, indem sie nur für solche Produkte neue Produktionslizenzen vergibt, die nicht schon von einem existierenden Betrieb hergestellt werden oder hergestellt werden könnten.
Das strukturelle Ungleichgewicht zwischen Landwirtschaft und Industrie hat drei Konsequenzen:
- Erstens verhindert die Existenz industrieller Betriebe für alle wesentlichen von der Bauernbevölkerung benötigten Produkte tendenziell die Entwicklung handwerklicher und kleinindustrieller Betriebe, die für eine bedarfsgerechtere Versorgung wichtig wären (Produktvielfalt, Anpassung der Produktion an spezielle Anforderungen, Reparatur von Werkzeugen, insbesondere von landwirtschaftlichen Geräten, Nähe zu den lokalen Märkten etc.). Das Fehlen dieses intermediären Sektors behindert auch die Herausbildung von technisch/handwerklichen und organisatorisch/unternehmerischen Fähigkeiten bei den Malawiern, die für die Entwicklung der Produktivkräfte in allen Bereichen der Wirtschaft wichtig wären.
- Zweitens schafft die Konzentration der industriellen Produktion in wenigen monopolistischen Unternehmen und deren räumliche Zentralisation in wenigen Städten (vorwiegend in Blantyre und Lilongwe) starke regionale Disparitäten und verhindert die Entstehung kleiner und mittlerer Städte, die bei der Integration der nationalen Wirtschaft, d.h. vor allem der Vermittlung der Austauschbeziehungen zwischen landwirtschaftlichem und industriellem Sektor, wichtig wären.
- Drittens bewirkt die strukturell unterschiedliche Produktivität in den beiden Sektoren einen permanenten Werttransfer von der Landwirtschaft in den industriellen Sektor. Dies wiederum behindert die Kapitalbildung bzw. die Erhöhung der Produktivität in der bäuerlichen Landwirtschaft.
Die Entwicklung der Industrie in der oben beschriebenen Form ist nicht nur davon abhängig, daß sich ein wachsender Teil der Bevölkerung von der Landwirtschaft löst bzw. aus ihr vertrieben wird und als Lohnarbeiter für die Industrie arbeitet und die Landwirtschaft die Ernährung des industriellen Proletariats durch ein ausreichendes Mehrprodukt sichert, sondern sie bedarf der Kleinbauern, neben den städtischen Arbeitern und Angestellten, auch als Käufer ihrer Produkte und darüber hinaus als Produzenten von landwirtschaftlichen Rohstoffen zur industriellen Weiterverarbeitung.
Dies spiegelt sich in der Industriestruktur Malawis, die geprägt ist von der Produktion von
— Lebensmitteln
— Baumwolltextilien
— Schuhen
— Zigaretten
— Ölen, Seifen
— landwirtschaftlichen Geräten.49
All diese Industrien brauchen den Kleinbauern als Käufer, die Textil-, Öl- und Zigaretten Industrien brauchen sie darüber hinaus als Rohstofflieferanten.
Die Erhöhung der Produktivität der kleinbäuerlichen Landwirtschaft und die Vergrößerung des vermarktbaren Produkts erhöht also auch die kaufkräftige Nachfrage der Kleinbauern nach Produkten der vom ausländischen Kapital in Malawi aufgebauten Industrie.
Vermarktungspolitik und Abschöpfung des bäuerlichen Mehrprodukts
Die Vermarktung des Großteils des bäuerlichen Mehrprodukts wird von ADMARC, der halbstaatlichen landwirtschaftlichen Entwicklungs- und Vermarktungskorporation, durchgeführt. Bei Tabak, Baumwolle, Erdnüssen, Mais, Reis und Hülsenfrüchten besitzt ADMARC das Monopol. Der Verkauf an private Händler ist verboten50.
Die Einflußnahme des Staates auf die Vermarktung geht in Malawi zurück auf die Kolonialzeit. Nach dem Ersten Weltkrieg wuchs unter den Bauern die Unzufriedenheit mit der Organisation der Vermarktung und den von privaten Aufkäufern bezahlten Preisen. Die Regierung übernahm daraufhin die Verantwortung für die Vermarktung der Baumwolle, dem damals wichtigsten Verkaufsprodukt der Kleinbauern. Als die Preise jedoch weiterhin fluktuierten und sich der Unmut der Bauern nun gegen die Regierung richtete, wurde eine Regelung getroffen, nach der jedes Jahr im voraus die Aufkaufpreise festgelegt wurden und damit das Risiko fluktuierender Weltmarktpreise vom Bauer auf die Regierung übertragen wurde. Diese Regelung bildete die Basis für einen vorübergehenden Baumwoll- boom. Die Preisregulierung im voraus blieb jedoch auf die Baumwolle beschränkt. Preisschwankungen bei den anderen Produkten, Tabak und Reis, waren weiterhin Anlaß für Bauernproteste und Verkaufsboykotte 51.
Eingedenk dieser historischen Erfahrungen werden daher heute nicht nur die meisten Produkte von ADMARC vermarktet, sondern es werden auch für all diese Produkte Aufkaufpreise vor der Pflanzzeit festgelegt. Obwohl diese Preise fast immer auf sehr niedrigem Niveau festgelegt werden, ist dieser Aspekt der Vermarktungspolitik zunächst positiv zu bewerten, denn er setzt die warenproduzierenden Kleinbauern nicht ungeschützt den Zufälligkeiten des Weltmarktes aus. Verbunden mit der Preisfestsetzung ist eine Aufkaufgarantie, die sicherstellt, daß die Bauern auch ihr gesamtes Mehrprodukt verkaufen können. Entsprechend der angekündigten Preisstruktur kann der Bauer also entscheiden, welche Mengen er von bestimmten Produkten produzieren will 52.
Ein weiterer positiver Aspekt der Vermarktungspolitik von ADMARC ist die starke Dezentralisierung der Märkte. Neben größeren Depots und Märkten in Distrikthauptstädten und ländlichen Zentren betreibt ADMARC etwa 700 sog. saisonale Märkte, die während der Erntezeit in den Dörfern eingerichtet werden. In vielen Gegenden gibt es daher Märkte in fußläufiger Entfernung der Bauern. Auf diese Weise besteht ein großer Anreiz für die Kleinbauern, sich an der Cash-crop-Produktion zu beteiligen bzw. einen Teil ihres Mehrproduktes an Mais, Reis oder anderen Subsistenzfrüchten zu verkaufen 53.
Die für die Kleinbauern durchaus vorteilhafte Organisation der Vermarktung wird allerdings von einer Preispolitik konterkariert, die zu einer massiven Ausplünderung der Bauern führt 54.
Die Tabelle 4 zeigt ADMARCs Nettogewinne und -Verluste beim Handel mit landwirtschaftlichen Produkten im Zeitraum von 1971/72 bis 1979/80. Es sei angemerkt, daß ADMARC nur die Produkte von Kleinbauern aufkauft, während die Plantagen direkt mit den internationalen Käufern handeln.
Tabelle 4
ADMARCs Nettoprofite (Verluste) aus dem Handel mit Agrarprodukten in Preisen von 1980, 1971/72 – 1979/80 (1 000 Kwacha)
Produkt | 1971/ 1972 | 1972/ 1973 |
1973 /1974 | 1974 /1975 | 1975 / 1976 |
1976/ 1977 |
1977/ 1978 |
1978/ 1979 |
1979/ 1980 |
Gesamtprofit
(Verlust je Produkt (9 Jahre) |
Durchschnittsprofit
(Verlust) je Produkt (1971/1972 – 1979/1980) |
Tabak | 12.795 | 8931 | 5351 | 9061 | 17.623 | 24.135 | 36.996 | 5656 | 3191 | 123.199 | 13.689 |
Reis | (426) | (344) | 313 | 1054 | (45) | (1657) | (1143) | (916) | (1837) | (5001) | (556) |
Mais | (97) | (154) | 3294 | 410 | (4758) | (2470) | (3336) | (4463) | (4929) | (16.503) | (1834) |
Erdnüsse | 4864 | 5066 | 3697 | 1991 | 2103 | 9181 | 3638 | 2969 | 4412 | 37.921 | 4213 |
Baumwolle | 1852 | 2156 | 3044 | 5825 | 767 | 2933 | 2019 | 1620 | 544 | 20.760 | 2307 |
allgemeine Produkte | (1323) | (3076) | (2077) | (2911) | 889 | 2620 | 2006 | 715 | (1298) | (4456) | (495) |
Gesamtprofit (Verlust) zu Preisen von 1980 | 17.665 | 12.039 | 13.622 | 15.430 | 16.579 | 34.742 | 40.180 | 5581 | 83 | 155.920 | 17.324 |
Quelle: Kydd/Christiansen 1982, S. 367; berechnet auf der Grundlage von ADMARCs Gewinn- und Verlustrechnungen 1972 – 80.
Das gewinnträchtigste Produkt für ADMARC war der Tabak. Die Abbildung 7 zeigt die Differenz zwischen den von ADMARC an die kleinbäuerlichen Produzenten gezahlten Preise und den auf den Tabakauktionen erzielten Verkaufspreisen. Die Abbildung macht offensichtlich, daß ab Mitte der 60er Jahre ADMARC steigende Weltmarktpreise nur zu einem Bruchteil an die Bauern weitergegeben hat.
Die Bruttogewinne aus dem Handel mit Agrarprodukten beliefen sich auf K 20,2 Mio pro Jahr. Über den Neunjahreszeitraum addieren sie sich zu einer (Brutto-) Wertabschöpfung aus der kleinbäuerlichen Warenproduktion von K 181,9 Mio. 55.
Abbildung 7
Das Verhältnis der Tabakpreise, die ADMARC von der Auktion erhält, zu denen, die sie an die Bauern zahlt, 1953 – 1979 (laufende 5-Jahresdurchschnitte)
Quelle: Kydd/Christiansen 1982, S. 369; berechnet auf der Grundlage des Compendium of Agricultural Statistics, 1977, mit entsprechenden Ergänzungen.
Die Dimension dieser Summe wird deutlich, wenn man sie mit den Ausgaben der Regierung für Entwicklungsmaßnahmen im kleinbäuerlichen Sektor vergleicht. Im gleichen Zeitraum, d.h. von 1971/72 bis 1979/80, machten sie K 152,2 Mio aus56, also weit weniger, als ADMARCs Gewinne aus dem Handel mit Agrarprodukten. Nur zu einem verschwindenden Teil (4,3%) wurden diese Gewinne von ADMARC zur Entwicklung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft verwandt. Der überwiegende Teil wurde in der Industrie in Form von Beteiligungen an ausländischen Unternehmen57 und vor allem in der stark expandierenden nationalen kapitalistischen Plantagenwirtschaft investiert 58.
ADMARC mit seinem Monopol beim Handel mit Agrarprodukten ist der entscheidende ökonomische Hebel zur Mobilisierung der im kleinbäuerlichen Sektor schlummernden Ressourcen zum Aufbau nationaler kapitalistischer Unternehmen, seien sie nun im Eigentum halbstaatlicher Organisationen oder von Privatpersonen.
Abbildung 8 zeigt in schematischer Form diesen Zusammenhang.
Der Prozeß der ursprünglichen Akkumulation von Kapital vollzieht sich hier also nur zu einem Teil als Enteignung der ländlichen Produzenten von Grund und Boden und ihrer Verwandlung in ‘freie’ Lohnarbeiter59, d.h. nur insoweit, als Grund und Boden und Lohnarbeiter für den expandierenden Plantagensektor benötigt werden. Gleichzeitig muß sich das nationale Kapital in Ermangelung alternativer Quellen60 seine ‘ursprünglichen Akkumulationsmittel’ durch eine ‘Besteuerung’ des vom kleinbäuerlichen Sektor produzierten Mehrproduktes beschaffen, d.h. es muß den kleinbäuerlichen Sektor als Quelle von Akkumulationsmitteln erhalten. Die extreme ‘Besteuerung’ führt jedoch langfristig zur Destabilisierung nicht nur der kleinbäuerlichen Warenproduktion, sondern auch ihrer Subsistenzbasis. Die entsprechenden Tendenzen der Stagnation der bäuerlichen Cash-crop-Produktion und der Gefährdung der Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln wurden oben schon beschrieben.
Die hohe Wertabschöpfung aus dem kleinbäuerlichen Sektor gefährdet aber nicht nur die Existenzgrundlage der kleinen Bauern und den Erfolg der Landwirtschaftsprojekte, sondern langfristig auch die Investitionspolitik von ADMARC, die nur funktioniert, wenn die Bauern auch weiterhin ein Mehrprodukt produzieren und an ADMARC verkaufen. Zunächst soll hier jedoch untersucht werden, über welchen ökonomischen Mechanismus diese hohe Wertabschöpfung über den langen Zeitraum hinweg möglich war.
Die zentrale These zur Erklärung der Abschöpfung ist, daß die kleinbäuerliche Warenproduktion in hohem Maße durch die Subsistenzproduktion subventioniert wird. Die Tatsache, daß die warenproduzierenden Bauern ihren Lebensunterhalt durch Subsistenzwirtschaft sichern, erlaubt ADMARC, die Aufkaufpreise auf ein Niveau zu drücken, das andernfalls (bei ‘reiner’ Warenproduktion) bei weitem nicht ausreichen würde, die nötigen Subsistenzmittel auf dem Markt zu kaufen. Bei dieser Form der ‘Mischwirtschaft’ können die »Preise für Agrarprodukte anscheinend ins Bodenlose fallen«61. Die absolute Untergrenze bilden die Kosten der Produktionsmittel (Saatgut, Kunstdünger und Pestizide), die der Bauer über den Verkauf des Produkts ersetzt haben will, während seine eigene Reproduktion und die seiner Familie durch die Subsistenzproduktion quasi ‘wertlos’ — im Sinne der Werttheorie — geschieht 62.
Trotzdem wird der Bauer die Warenproduktion nicht fortsetzen bzw. werden keine Bauern neu für die Warenproduktion gewonnen, wenn der Verkauf seiner Produkte nicht einen minimalen Nettogewinn sichert. Je größer der Umfang der Warenproduktion im Verhältnis zur Subsistenzproduktion, desto mehr wird letztere vernachlässigt und in ihrer Produktivität reduziert, da sich die Zeiten intensiver Feldarbeit für Cash crops und Subsistenzprodukte überschneiden oder die Subsistenzproduktion von der Herstellung von nichtlandwirtschaftlichen Gütern wie Kleidung, Behausung, Hausgeräte etc. (die sonst die Zeit zwischen Ernte und Feldbestellung, die Trockenperiode von Mai bis Oktober, ausfüllte) eingeschränkt wird. Die Warenproduktion muß dann einen Teil der Subsistenz in Form bestimmter Konsumgüter, die auf dem Markt gekauft werden, sichern.
Die für die Agrarprodukte gezahlten Aufkaufpreise können daher nur bis zu einem gewissen Punkt gedrückt werden, bevor sie eine Einschränkung der Warenproduktion durch die Bauern bewirken. Die Entwicklung der kleinbäuerlichen Verkaufsfrüchteproduktion bis Ende der 70er Jahre hat gezeigt, daß dieser Punkt z.T. schon überschritten wurde. Die widersprüchliche Beziehung zwischen dem kapitalistischen und dem kleinbäuerlichen Sektor, in der »der eine den anderen erhält, um ihm seine Substanz zu entziehen und ihn dadurch zerstört«63, spiegelt sich in der Preispolitik ADMARCs, d.h. in der jeweiligen Entscheidung über den Grad der ‘Besteuerung’ der Kleinbauern.
Die Preispolitik ADMARCs im Spannungsfeld der Interessen von nationalem Kapital und internationaler ‘Entwicklungsförderung’
Entsprechend der zentralen Funktion ADMARCs als Instrument zur Mobilisierung von Akkumulationsmitteln für den kapitalistischen Sektor kommt der Festsetzung der Aufkaufpreise für die Produkte der Kleinbauern eine Schlüsselrolle in der malawischen Agrarpolitik zu. Es ist daher kein Zufall, daß die Preispolitik von ADMARC noch bis vor kurzem vom Präsidenten höchstpersönlich kontrolliert wurde und in der innermalawischen Diskussion ein wohlrespektiertes Tabu war.
Die Höhe der Ankaufpreise von ADMARC bestimmt nicht nur den Anteil der Kleinbauern am Verkaufserlös ihrer Produkte auf dem Weltmarkt, sondern auch die Höhe des Akkumulationsfonds, der über ADMARC an den kapitalistischen Sektor verteilt werden kann. Zugleich bestimmt sie indirekt das Ausmaß der Zerstörung der Bedingungen der kleinbäuerlichen Cash-crop- und Subsistenzproduktion. Mit der Preispolitik ADMARCs wird also entschieden, ob der kleinbäuerliche Sektor — auch als langfristige Quelle von Akkumulationsmitteln — erhalten wird, oder ob er durch einen weitgehenden Substanzentzug zerstört wird. Die Preispolitik ADMARCs bewegt sich damit im Spannungsfeld zweier unterschiedlicher Interessen: Das nationale Kapital auf der einen Seite, d.h. die Plantagen und Industrieunternehmen, die von ADMARC günstige Kredite erhalten, ist daran interessiert, den verfügbaren Fonds an Akkumulationsmitteln kurzfristig zu maximieren, d.h. die Ankaufpreise auf einem möglichst niedrigen Niveau zu halten. Die Institutionen der internationalen Entwicklungsförderung, die die landwirtschaftlichen Entwicklungsprojekte in Malawi finanzieren, sind auf der anderen Seite daran interessiert, Bedingungen zu schaffen, die die Produktion von Cash crops durch die Kleinbauern maximieren, einschließlich der notwendigen finanziellen Anreize in Form attraktiver Preise.
Die Abbildungen 9a und b zeigen die unterschiedlichen Interessen von nationalem Kapital und der internationalen Entwicklungsförderung in schematischer Form im Kontext des malawischen Entwicklungsmodells.
Der Anbau von Cash crops durch die Bauern ist zum größten Teil Produktion für den Weltmarkt. Die ExportprodukteTabak, Baumwolle und Erdnüsse machen rund drei Viertel der kleinbäuerlichen Warenproduktion aus64. Das Interesse der internationalen Entwick- lungsförderung, der Entwicklungshilfe der kapitalistischen Länderund ihrer Organisationen wieder Weltbank, ist es, die Entwicklungsländer zunehmend in den Weltmarkt zu integrieren, d.h. im Falle Malawis, dafür zu sorgen, daß sich seine Produktion von Agrarpoduk- ten für den Weltmarkt erhöht. Dabei geht es nicht nur darum, die Versorgung der kapitalistischen Metropolen mit billigen agrarischen Rohstoffen zu sichern, sondern auch darum, Malawi als einen mit den nötigen Devisen ausgestatteten Nachfrager nach Waren der Industrieländer zu qualifizieren 65.
In den 70er Jahren hat die von der malawischen Entwicklungspolitik forcierte Expansion der Plantagenwirtschaft die stagnierende Produktion der Kleinbauern an landwirtschaftlichen Exportprodukten kompensiert. In dieser Zeit konnte sich deshalb das Interesse des nationalen Kapitals durchsetzen, die Ankaufspreise, die ADMARC den Kleinbauern zahlt, niedrig zu halten, ohne daß die Geberorganisationen ihrer Forderung nach Preisanreizen, wie sie von der Weltbank z.B. immer schon erhoben wurden, Nachdruck verliehen. Als jedoch Anfang der 80er Jahre die Plantagenwirtschaft in die Krise geriet und die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auf die Ökonomie Malawis die Widersprüche des malawischen Entwicklungsmodells deutlicher werden ließen, beharrten die Entwicklungshilfegeber, insbesondere die Weltbank, darauf, die kleinbäuerliche Warenproduktion durch Preisanreize zu erhöhen.
Ausgehend von der Prognose, daß der Plantagensektor in Zukunft sehr viel langsamer als bisher (4 – 5% statt 17%) wachsen wird, erklärt die Weltbank in ihrem letzten umfassenden Bericht über Malawi, daß die »verbesserte Leistungsfähigkeit des kleinbäuerlichen Sektors das Schlüsselelement in der Entwicklungsstrategie der 80er Jahren sein müsse«66. Die Verbesserung der Preisanreize spiele dabei eine wichtige Rolle, um die Produktion der Kleinbauern zu stimulieren67. Die Vergabe eines‘Strukturanpassungskredits’ an Malawi im Jahre 1981 benutzte die Weltbank schließlich, um eine entscheidende Erhö
hung von ADMARCs Ankaufspreisen durchzusetzen. Anfang 1983 setzte ADMARC die Preise für die wichtigsten Produkte um nominell 35 -100% herauf68.
Die Weltbank, in Verfolgung ihres Interesses, die Bedingungen für eine langfristige Entwicklung kapitalistischer Produktionsverhältnisse in den Ländern der 3. Welt zu schaffen und zu sichern, versucht mit ihrer Entwicklungsstrategie für Malawi auch der Zerstörung der Reproduktionsbasis des kleinbäuerlichen Sektors zumindest insoweit entgegenzuwirken, als er die Subsistenz sowohl der waren produzierenden Bauern wie der Lohnarbeiter und die Selbstversorgung Malawis mit Nahrungsmitteln ohne Kosten für den kapitalistischen Sektor sichert. D.h. die Entwicklung des kapitalistischen Sektors, ob national oder ausländisch, ist auch in Zukunft davon abhängig, daß die Möglichkeit erhalten bleibt, »die Reproduktions- und Ausbildungskosten sowie die Unterhaltskosten auf den traditionellen Sektor abzuwälzen, aus dem er die Arbeitskraft (und die Akkumulationsmittel, d. Verf.) schöpft, die er braucht«. 69
Es ist deshalb kein Widerspruch zur sonst gewohnten Orientierung der Weltbank auf die Förderung der Exportproduktion, wenn sie angesichts der akuten Landverknappung und des absehbaren Nahrungsmitteldefizits in Malawi in ihren Empfehlungen zur Entwicklung des kleinbäuerlichen Sektors besonderes Gewicht auf die Sicherung der Selbstversorgung mit Nahrungsmittelnlegt70. So sollen die Beratungsprogramme und die Agrarforschung, die bislang fast ausschließlich auf den Anbau von Cash crops orientiert waren, in Zukunft stärker auch auf den Anbau von Subsistenzfrüchten ausgerichtet werden 71.
Die Sorge um die Subsistenzsicherung der Kleinbauern resultiert dabei auch aus der Erfahrung, daß diese nur dann Cash crops anbauen, wenn ihre Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln gesichert ist72. Voraussetzung für die Steigerung der Cash-crop-Produktion ist also die Sicherung der Eigenversorgung durch verbesserte Erträge bei den Subsistenzfrüchten, insbesondere den lokalen Maissorten 73.
Der von der Weltbank ausgehende Druck auf die malawische Regierung, die Ankaufspreise für die Produkte der Klein bauern, und darunter auch die für Mais, zu erhöhen, zielt daher nicht auf eine grundsätzlich neue Entwicklungsstrategie, sondern betont lediglich die langfristigen Aspekte bei der Schaffung notwendiger Voraussetzungen für eine kapitalistische Entwicklung in Malawi, während das nationale Kapital, hier vor allem vertreten durch Unternehmen wie Press (Holdings), die von ADMARCs günstigen Krediten profitieren, bislang vor allem daran interessiert war, kurzfristig die nötigen Mittel zur Kapitalakkumulation durch eine möglichst weitgehende Besteuerung der Kleinbauern zu beschaffen 74.
Abb. 9:
Nationale und internationale Interessen am malawischen Entwicklungsmodell
Abb 9a: Nationales Kapital
Abb. 9b: Internationale Entwicklungsförderung
Abb. 9c: Bundesrepublik Deutschland
Die vermittelte Durchsetzung des Interesses der Bundesrepublik Deutschland an der Industrialisierung in Malawi